Karl Igstaedter

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gestorben: 
10. Februar 1945 Wuppertal
Opfergruppe: 
Beruf: 
Schweißer

Gruppe Wichlinghausen - Karl Igstaedter

In das Widerstandsnetz war auch der Schweißer Karl Igstaedter eingebunden. Igstaedter, geboren am 10. Februar 1896, gehörte seit 1932 der KPD an und war vor 1933 Mitglied der 60köpfigen KPD-Betriebsgruppe bei den Bahnen. Als Beschäftigter der Barmer Berg- und Straßenbahn AG geriet er 1936 in die Verhaftungswelle von Friedrich Senger und Adolf Mann. Am 27. Juni 1936 wurde er verhaftet, aber am 20. Oktober 1936 ohne Anklage entlassen. Zu Beginn der vierziger Jahre schloss er sich einer Gruppe der KPD um Ferdinand Haas1 und Willy Heinzelmann in Wichlinghausen an. Über Walter Böhne und Hugo Paul wurden regionalen Verbindungen hergestellt. Die Gruppe hatte lose Verbindungen zu Betriebsgruppen in den Metall- und Textilbetrieben Siller & Jamert, Spelleken, Köllmann & Grühn und Vorsteher & Bünger. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war Vorwerk & Co. Ab 1943 bestand über Karl Igstaedter auch ein fester Kontakt zu einer Gruppe sowjetischer Zwangsarbeiter, die im Lokal „Schützengilde“ untergebracht war und auf dem Güterbahnhof Wichlinghausen Be- und Entladearbeiten verrichtete.2 Aus dieser Gruppe rekrutierten sich offensichtlich auch diejenigen Zwangsarbeiter und entflohenen Kriegsgefangenen, die im Winter 1944 begannen, im Großraum Wuppertal bewaffnete Gruppen zu bilden, die zum Teil illegal in den Trümmergrundstücken lebten und bewaffnet Lebensmittel requirierten und eine Reihe von Einbrüchen und Überfällen organisierten.3 In der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 1945 kam zu einem folgenschweren Zwischenfall bei einem Überfall auf Güterwagons im Bahnhof Wuppertal-Wichlinghausen. Ein Reichsbahnangestellter und ein sowjetischer Zwangsarbeiter starben bei einem Schusswechsel. Wenige Tage später umstellten Polizei und Beamte der „Reichsbahnfahndung“ ein Haus, das von Zwangsarbeitern in Wuppertal-Heckinghausen bewohnt war. Die Zwangsarbeiter waren bewaffnet und in einem „Feuergefecht mit russischen Banditen“ starben ein Polizist und zwei Russen. Insgesamt wurden fünf Polizisten bei dem Schusswechsel verwundet und ein weiterer Zwangsarbeiter wurde schwer verletzt. Die Polizei konnte schließlich eine Gruppe von sowjetischen Zwangsarbeitern festnehmen.4 Es gibt keine sicheren Informationen darüber, wie die Gestapo auf die Spur von Karl Igstaedter kam. Drei Wochen später, am 10. Februar 1945 erhängte er sich in der Verbindungsgasse Schwarzbach zur Langobardenstrasse. Die Sterbeurkunde weist Selbstmord aus „Angst vor Strafe“ aus.5 Der Generalanzeiger vom 14. Februar 1945 nannte als Grund, er wäre beschuldigt worden, „mit fremdvölkischen Einbrechern, die auch den Rangierer auf dem Bahnhof Wichlinghausen erschossen haben, Beziehungen´ unterhalten zu haben. Er hätte „Ostarbeiter“ in seiner Wohnung beherbergt und „Diebesgut“ erhalten. Schließlich hätte er sein „schändliches Verhalten erkannt und sich selbst gerichtet.“6 Auch nach dem Tod Igstaedters ließ die Gestapo nicht locker. Die Ehefrau von Karl Igstaedter, Hedwig Igstaedter, wurde festgenommen und im Polizeigefängnis Barmen in der Bachstraße eingesperrt. Dort fand man sie am 17. Februar 1945 erhängt auf.7 Die Ermittlungen nahmen ihren Fortgang. Die schon inhaftierten Zwangsarbeiter wurden schwer gefoltert und zu Aussagen erpresst. Weitere Verhaftungen folgten, bis insgesamt 80 „Russen“ festgenommen werden konnten. Dieser Gruppe wurden zahlreiche Raubüberfälle zum Teil mit Tötungsdelikten vorgeworfen, insbesondere auf Lebensmittelgeschäfte und Luftschutzkeller. Alle Inhaftierten waren nach Aussage der Gestapobeamten aus ihren Firmen geflohene „Ostarbeiter“. 30 Personen aus dieser Gruppe, unter ihnen sechs Frauen wurden von Wuppertaler Gestapo und Schutzpolizei auf Befehl von Josef Hufenstuhl auf dem Schiessstand der Polizei im Burgholz Anfang März 1945 ermordet. Eine unbekannte Anzahl wurde in Konzentrationslager wie nach Buchenwald deportiert.8 Damit folgte die Wuppertaler Gestapo in diesem Fall wie auch bei dem Massaker in der Wenzelnbergschlucht den letzten Anweisungen des Inspekteurs der Sicherheitspolizei in Düsseldorf vom 24. Januar 1945: „Die gegenwärtige Gesamtlage wird Elemente unter den ausländischen Arbeitern und auch ehemalige deutsche Kommunisten veranlassen, sich umstürzlerisch zu betätigen. Größte Aufmerksamkeit ist daher geboten. Dass der Feind Vorbereitungen getroffen hat, geht aus einer Meldung des O.B-West [Oberbefehlshaber West] hervor. Es ist in allen sich zeigenden Fällen sofort und brutal zuzuschlagen. Die Betreffenden sind zu vernichten (…) ohne im formellen Weg vorher beim RSHA Sonderbehandlung zu beantragen.“9 1 Vgl. LAV NRW HSA, RW 58, Nr. 74218, 19014. 2 Diese Gruppe brachte einen eigenen Informationsdienst heraus. 3 Vgl. Fings, Karola: Krieg, Gesellschaft und KZ. Himmlers SS-Baubrigaden, Paderborn 2005, S. 162-163. Hier der Hinweis auf National Archives, NARA, RG 338, 000-50-009 (Buchenwald-Case), Box 442, Folder 2, Bericht Karl Poßvögel, 30.4.1945 nach AGB. Nach Poßvögel existierten Pläne für einen bewaffneten Aufstand, es kursierten Flugblätter und Slogans, die sowohl unter Deutschen als auch „Ostarbeitern“ verbreitet wurden. Vgl. Karl Heinz Roth zur „dissidenten Subkultur“ in Hamburg: Roth, Karl-Heinz: Ökonomie und politische Macht: Die „Firma Hamburg“ 1930-1945, in: Ebbinghaus u.a.: Kein abgeschlossenes Kapitel. Hamburg im 3. Reich, Hamburg 1997, S. 15-176. Nach Vorberg soll die Widerstandsgruppe einen illegalen Stollen für Lebensmittel angelegt haben. Peukert, Ruhrarbeiter, S. 409, Anm. 795; VVN-Archiv NRW alte Signatur 3933, 3935. Vgl. Herbert, Ulrich: Von der "Arbeitsbummelei" zum "Bandenkampf". Opposition und Widerstand der ausländischen Zwangsarbeiter in Deutschland 1939-1945, in: Müller/Dilks (Hg.) Großbritannien und der deutsche Widerstand, S. 245-260. 4 Vgl. Speer, Florian: "Ausländer im „Arbeitseinsatz“ in Wuppertal. Zivile Arbeitskräfte, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg", Wuppertal 2003, S. 476-477. 5 StAW, Standesamt Barmen, Sterbefälle 368/45. 6 „Generalanzeiger“ vom 14.2.1945. 7 Vgl. Gefängnis Barmen, Gefangenenbuch Frauen , LAV NRW HSA, Rep. 338 Nr. 7. 8 Vgl. Bhatia, Liselotte: Mein Burgholz Case, in: Albel, Ulla/Nelles, Dieter/Stracke, Stephan: Wir haben, S. 44-54. Public Record Office (PRO) Kew/London, WO 309/1139-1141; BAK, Endarchiv, JAG 346 u. JAG 301. (Burgholz I Case, Burgholz II Case) 9 Fernschreiben des Inspektors der Sipo, Düsseldorf an die Gestapostellen in Düsseldorf, Münster, Dortmund und Köln vom 24.1.1945, Kopie im VVN-Archiv Wuppertal.

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