Fritz Brass: Wuppertals vergessener Gegner der Nazis
Ein Gastbeitrag von Michael Okroy
Zum 70. Jahrestag des Attentats auf Hitler erinnert Michael Okroy an den Wuppertaler Sozialdemokraten Fritz Brass (1889-1944).
Blick auf das Mahnmal des Konzentrationslagers Kemna. Dort war Fritz Brass – von dem kein Foto erhalten ist – 1933/34 vier Monate lang interniert. Seine Erlebnisse dort schrieb er – ein einzigartiges Zeugnis – in dem 64-seitigen „Brass-Bericht nieder. Das zweite Bild zeigt...
Wuppertal. Am heutigen Sonntag, 20. Juli, jährt sich zum 70. Mal das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler. Geplant wurde es von national-konservativen Angehörigen der Wehrmacht, des Adels und des Bürgertums. Den Anschlag selbst verübte Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Als Generalstabsoffizier lebte er von 1939 bis 1943 mit seiner Familie in Wuppertal, in der Lönsstraße 25. Nicht nur deshalb lädt auch die Stadt Wuppertal für Sonntag, 15 Uhr zu einer Gedenkstunde an das Attentat vom 20. Juli in den Deweerth’schen Garten ein.
In den Adenauer-Jahren galt der Widerstand von links als fragwürdig
Derartiges war nicht immer Teil der Erinnerungskultur: In der jungen Bundesrepublik galten die Verschwörer des 20. Juli 1944 lange als Verräter, fanden erst Jahre später allmählich Anerkennung. Diese ging aber einher mit einer Idealisierung des 20. Juli zulasten des linksorientierten Widerstands. Die in der Adenauer-Ära bewusst betriebene Spaltung in einen vorbildlichen militärisch-konservativen und einen fragwürdigen kommunistischen Widerstand prägte lange die Vergangenheitspolitik in Westdeutschland.
Dadurch wurden solche Widerständler ins Abseits gedrängt oder vergessen, die außerhalb fester Organisationen eine linksorientierte Weltanschauung ausgebildet und sich zu mutigem Protest entschieden hatten. Wie zum Beispiel Friedrich „Fritz“ Brass aus Elberfeld. Sein konsequenter Widerstand gegen die Nazis ist lange nicht wertgeschätzt und er selbst als Person nahezu vergessen worden.
Ein Schmähgedicht auf Hitler brachte Brass ins KZ Kemna
Brass, 1889 geboren und unverheiratet geblieben, betrieb als Malermeister einen kleinen Betrieb und lebte mit seiner Schwester auf dem Ölberg. Anders als die Männer des 20. Juli war das SPD-Mitglied überzeugter Demokrat und stand fest zur Weimarer Republik. Die Konsequenzen seiner Souveränität bekam Fritz Brass erstmals im Oktober 1933 zu spüren.
Hitler hatte damals den Reichstag aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Dagegen wollte Brass offenbar ein Zeichen setzen: gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und die allgegenwärtige NS-Propaganda. Er verfasste ein Gedicht, in dem er Hitler einen „Sklavendienst-Vermittler“ nannte, kopierte es und klebte die Zettel an Häuserwände am Arrenberg. Brass wurde dabei beobachtet, angezeigt, verhaftet.
Er kam am 27. Oktober in das berüchtigte „SA-Schutzhaftlager“ Kemna, wo ihn die SA einer brutal-gewalttätigen Aufnahmeprozedur unterzog. Im Januar 1934 entlassen, schrieb Brass seine Erlebnisse auf den 64 Seiten eines Schulheftes nieder. Sein Kemna-Bericht (siehe Kasten) beschreibt nicht nur erschreckend anschaulich die Gewalt- und Demütigungsmethoden der SA-Wachleute und den zermürbenden Alltag in einem der ersten deutschen Konzentrationslager, sondern auch – oft mit spöttisch-ironischem Unterton – den moralischen und zivilen Tiefstand seiner Bewacher, den „Erneuerern der Barbarei“.
Auch nach der Haft-Entlassung blieb Fritz Brass unbeugsam
Nach seiner Entlassung blieb Fritz Brass, von dem leider nicht einmal ein Bild überliefert ist, unbeugsam. Er lehnte den von der Maler-Innung erhobenen Spendenbeitrag zugunsten des „nationalen Wiederaufbaus“ ab. Im Herbst 1936 verweigerte er bei einer Veranstaltung der Kreishandwerkerschaft den Hitler-Gruß und erklärte, er wolle mit dem „Dritten Reich“ nichts zu tun haben. Die Innungsleitung zeigte ihn bei der Gestapo an, die ihn ins Gefängnis steckte und dann in das KZ Buchenwald bei Weimar verschleppte.
Brass erlebte dort am eigenen Leib, was die Nazis mit der zynischen, über dem Lagertor angebrachten Inschrift „Jedem das Seine“ meinten. Nach 638 Tagen Haft wurde Brass entlassen. Er stand seitdem unter verschärfter Kontrolle der Wuppertaler Gestapo. Er kam in einer Glaserei unter, widersetzte sich aber, der Arbeitsverpflichtung in vollem Umfang nachzukommen.
Nach seiner erneuten Verhaftung im Februar 1944 galt er als „kaum noch erziehbarer Schutzhäftling“ und wurde unter den härtesten Haftbedingungen in das KZ Mauthausen deportiert. Dort ist Fritz Brass, der standfeste Demokrat und Republikaner, im November 1944 umgekommen: Offiziell wegen „allg. Sepsis“ – in Wahrheit als Folge schwerer Misshandlung und völliger Entkräftung durch härteste Zwangsarbeit.
http://www.wz-newsline.de/lok
http://www.wz-newsline.de/lokales/wuppertal/fritz-brass-wuppertals-verge...
Fritz Brass: Wuppertals vergessener Gegner der Nazis
Ein Gastbeitrag von Michael Okroy
Zum 70. Jahrestag des Attentats auf Hitler erinnert Michael Okroy an den Wuppertaler Sozialdemokraten Fritz Brass (1889-1944).
Blick auf das Mahnmal des Konzentrationslagers Kemna. Dort war Fritz Brass – von dem kein Foto erhalten ist – 1933/34 vier Monate lang interniert. Seine Erlebnisse dort schrieb er – ein einzigartiges Zeugnis – in dem 64-seitigen „Brass-Bericht nieder. Das zweite Bild zeigt...
Wuppertal. Am heutigen Sonntag, 20. Juli, jährt sich zum 70. Mal das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler. Geplant wurde es von national-konservativen Angehörigen der Wehrmacht, des Adels und des Bürgertums. Den Anschlag selbst verübte Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Als Generalstabsoffizier lebte er von 1939 bis 1943 mit seiner Familie in Wuppertal, in der Lönsstraße 25. Nicht nur deshalb lädt auch die Stadt Wuppertal für Sonntag, 15 Uhr zu einer Gedenkstunde an das Attentat vom 20. Juli in den Deweerth’schen Garten ein.
In den Adenauer-Jahren galt der Widerstand von links als fragwürdig
Derartiges war nicht immer Teil der Erinnerungskultur: In der jungen Bundesrepublik galten die Verschwörer des 20. Juli 1944 lange als Verräter, fanden erst Jahre später allmählich Anerkennung. Diese ging aber einher mit einer Idealisierung des 20. Juli zulasten des linksorientierten Widerstands. Die in der Adenauer-Ära bewusst betriebene Spaltung in einen vorbildlichen militärisch-konservativen und einen fragwürdigen kommunistischen Widerstand prägte lange die Vergangenheitspolitik in Westdeutschland.
Dadurch wurden solche Widerständler ins Abseits gedrängt oder vergessen, die außerhalb fester Organisationen eine linksorientierte Weltanschauung ausgebildet und sich zu mutigem Protest entschieden hatten. Wie zum Beispiel Friedrich „Fritz“ Brass aus Elberfeld. Sein konsequenter Widerstand gegen die Nazis ist lange nicht wertgeschätzt und er selbst als Person nahezu vergessen worden.
Ein Schmähgedicht auf Hitler brachte Brass ins KZ Kemna
Brass, 1889 geboren und unverheiratet geblieben, betrieb als Malermeister einen kleinen Betrieb und lebte mit seiner Schwester auf dem Ölberg. Anders als die Männer des 20. Juli war das SPD-Mitglied überzeugter Demokrat und stand fest zur Weimarer Republik. Die Konsequenzen seiner Souveränität bekam Fritz Brass erstmals im Oktober 1933 zu spüren.
Hitler hatte damals den Reichstag aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Dagegen wollte Brass offenbar ein Zeichen setzen: gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und die allgegenwärtige NS-Propaganda. Er verfasste ein Gedicht, in dem er Hitler einen „Sklavendienst-Vermittler“ nannte, kopierte es und klebte die Zettel an Häuserwände am Arrenberg. Brass wurde dabei beobachtet, angezeigt, verhaftet.
Er kam am 27. Oktober in das berüchtigte „SA-Schutzhaftlager“ Kemna, wo ihn die SA einer brutal-gewalttätigen Aufnahmeprozedur unterzog. Im Januar 1934 entlassen, schrieb Brass seine Erlebnisse auf den 64 Seiten eines Schulheftes nieder. Sein Kemna-Bericht (siehe Kasten) beschreibt nicht nur erschreckend anschaulich die Gewalt- und Demütigungsmethoden der SA-Wachleute und den zermürbenden Alltag in einem der ersten deutschen Konzentrationslager, sondern auch – oft mit spöttisch-ironischem Unterton – den moralischen und zivilen Tiefstand seiner Bewacher, den „Erneuerern der Barbarei“.
Auch nach der Haft-Entlassung blieb Fritz Brass unbeugsam
Nach seiner Entlassung blieb Fritz Brass, von dem leider nicht einmal ein Bild überliefert ist, unbeugsam. Er lehnte den von der Maler-Innung erhobenen Spendenbeitrag zugunsten des „nationalen Wiederaufbaus“ ab. Im Herbst 1936 verweigerte er bei einer Veranstaltung der Kreishandwerkerschaft den Hitler-Gruß und erklärte, er wolle mit dem „Dritten Reich“ nichts zu tun haben. Die Innungsleitung zeigte ihn bei der Gestapo an, die ihn ins Gefängnis steckte und dann in das KZ Buchenwald bei Weimar verschleppte.
Brass erlebte dort am eigenen Leib, was die Nazis mit der zynischen, über dem Lagertor angebrachten Inschrift „Jedem das Seine“ meinten. Nach 638 Tagen Haft wurde Brass entlassen. Er stand seitdem unter verschärfter Kontrolle der Wuppertaler Gestapo. Er kam in einer Glaserei unter, widersetzte sich aber, der Arbeitsverpflichtung in vollem Umfang nachzukommen.
Nach seiner erneuten Verhaftung im Februar 1944 galt er als „kaum noch erziehbarer Schutzhäftling“ und wurde unter den härtesten Haftbedingungen in das KZ Mauthausen deportiert. Dort ist Fritz Brass, der standfeste Demokrat und Republikaner, im November 1944 umgekommen: Offiziell wegen „allg. Sepsis“ – in Wahrheit als Folge schwerer Misshandlung und völliger Entkräftung durch härteste Zwangsarbeit.