DAF-Geheimdienst Amt Information

Die Tätigkeit des DAF-Geheimdienstes ist für Wuppertal noch nicht untersucht worden. Das liegt zum einen sicherlich an der prekären Quellenlage.1 Zum anderen existierte dieser Nachrichtendienst nur von April/Mai 1934 bis zum Frühjahr 1938. Dann wurde er aufgelöst und vom sicherheitspolitischen Apparat der SS übernommen. Bereits seit Juli 1934 war das „Amt Information“ formal dem SD angegliedert.2 Grundsätzlich gilt: Der DAF-Geheimdienst nahm die betrieblichen Interventionsversuche der KPD sehr ernst und untersuchte akribisch auch die Taktik des Trojanischen Pferdes. Er wollte aber die innerbetrieblichen Probleme zunächst (bis 1936) innerbetrieblich und DAF-intern lösen und nur in Fällen von Gefahren für die innere Sicherheit an die Gestapo melden. Der DAF Geheimdienst „Amt Information“ wurde verdeckt in die lokalen Strukturen der DAF eingebaut. Als Gau-Informationsreferent war Alfred Hage in Düsseldorf tätig. Auf lokaler Ebene gab es entsprechend einen Kreis-Informationsreferenten. Bis Mitte 1936 spielte das „Amt Information“ nach Karl-Heinz Roths Einschätzung eine „unangefochtene und eigenständige Rolle“ im Vorfeld der Überwachung der Belegschaften und für die Eigensicherung des DAF-Funktionärsapparats. Es fungierte als eine Art Ermittlungsdienst für den „Treuhänder der Arbeit“, der für die „soziale Ehrengerichtsbarkeit“ zuständig war. Für das „Amt Information“ arbeiteten eine Reihe von betrieblichen Zuträgern und V-Leuten, die je nach Verankerung in den Betrieben genaue Einblicke und Gefährdungsanalysen liefern konnten.

Der erste Bericht des „Amt Information“ für die Untersuchungsregion informierte über die „marxistischen Umtriebe im Gau Düsseldorf“ im Zeitraum Februar bis Dezember 1934. Diesem Bericht zufolge rechnete die DAF mit Sabotageaktionen. Die DAF war in einigen wichtigen Rüstungsbetrieben auch mit Spitzeln im Einsatz, wie die Gestapo vermerkte. Allein bei Rheinmetall waren vier V-Leute der DAF tätig, einer von ihnen war der Betriebszellenobmann selbst.3 Aus Remscheid wurde sogar ein Sabotageversuch bei der Bergischen Stahlindustrie in Remscheid gemeldet: „Im Herbst 1933 wurde von unbekannter Seite versucht, das Fließband in der Abteilung Fitting-Gießerei außer Betrieb zu setzen, indem man Eisen- und Stahlstücke in das laufende Fließband hineinwarf. Die Art des Vergehens hierbei lässt auf Sabotage seitens der KPD schließen.“4 Die Ermittlungen waren nicht erfolgreich, weil ein „stadtbekannter Polizist“ die Ermittlungen im Werk aufgenommen hatte und erkannt worden war.5 Von Anfang an kam es zu Konflikten mit der politischen Polizei, der Gestapo und dem SD, wie folgende Beispiele belegen: Am 16. März 1934 beschwerte sich der Vertreter des DAF-Geheimdienstes bei der DAF in Berlin. Er forderte das Recht ein, bei Hausdurchsuchungen anwesend zu sein und kritisierte die Führung der politischen Polizei und der Stapo: Kriminalrat Sommer sei unfähig, der Apparat der Stapo zu klein: „Hierzu sehe ich mich gezwungen Ihnen die Mitteilung zu machen. [...] Die hiesige Stapo hat mit dem hiesigen Polizeipräsidenten, Gruppenführer der SS Weitzel, folgendes Übereinkommen getroffen: Sämtliche örtlichen politischen Fälle werden der Abt. 1a im P.P. [Polizeipräsidium] zur Bearbeitung überlassen, die Stapo übernimmt nichts. Die Stapo bearbeitet, wie mir gesagt wurde, aus Gründen eines zu kleinen Apparates lediglich die sog. überörtlichen Sachen, gemeint ist, falls eine Sache über zwei oder mehr Orte verzweigt“ ist.6 Am 8. Mai 1934 waren die Unstimmigkeiten zwischen dem DAF-Geheimdienstler [...] und der Stapo offensichtlich ausgeräumt: „Wir [...] sind auf dem besten Wege, die gesamte neue Bezirksleitung der KPD hoch zunehmen. [...] Das können wir uns keineswegs aus der Nase gehen lassen. [sic]. Engste und beste Zusammenarbeit in dieser Beziehung mit der STAPO [und] einem vortrefflichen Kommissar Vogt ist gegeben.“7

Nachzuweisen ist die Tätigkeit des DAF-Geheimdienstes in Wuppertal im Zusammenhang mit den Verhaftungen von Betriebsaktivisten in den Jahren 1934 bis 1936 und bei der Prozessbeobachtung 1936. Nach den vorliegenden Quellen konnte der zuständige Kreis-Informationsreferent aber nur insgesamt zwei verdächtige Personen identifizieren, die dann später von der Gestapo festgenommen wurden. Das bedeutet, dass das „Amt Information“ bei der Ausschaltung der betrieblichen Widerstandsgruppen in Wuppertal keine wichtige Rolle spielte. Diese Einschätzung teilte auch der SD: Er kritisierte offen die Unfähigkeit des DAF-Geheimdienstes, die Belegschaften zu kontrollieren. Sie hätten nicht einmal die ehemaligen politischen Gefangenen aus den Betrieben heraushalten können.8 Erstaunlicherweise wurden bis 1936 die meisten Informationen zuerst an die Zentrale des DAF-Geheimdienstes in Berlin geschickt, die dann entschieden, welche Informationen den (lokalen) Gestapostellen und dem SD weitergegeben wurden. Nach Schätzungen von Roth wurde die Gestapo in nur etwa 5 % aller Fälle eingeschaltet.

Noch gravierender sind die Ereignisse um den Beginn der Massenprozesse im Januar 1936.

Wie schon beschrieben, wurde die Wuppertaler Gestapo von den Ereignissen rund um den Prozessbeginn vollkommen überrascht. So berichteten Gewährsmänner des DAF-Geheimdienstes über ihre Erlebnisse vor Prozessbeginn und kritisierten ganz offen die Gestapo: Zunächst seien um die 80 „Arbeitskameraden“ von Bemberg, „die sich für ihre frühere Gewerkschaft eingesetzt“ hätten, vorgeführt worden. „Die anliegenden Strassen vom Landgericht bis zur Gefängnisanstalt sind von der Bevölkerung dicht belagert, da mittlerweile bekannt geworden ist, dass täglich [...] die Inhaftierten abgeführt werden. Der Abtransport geschieht [...] unter schärfster Bewachung der Schutzpolizei, was naturgemäß immer großes Aufsehen erregt. Dieses Bild haben die 3 Franzosen mit nach Frankreich genommen und werden es in einer viel krasseren Form dort schildern. Wer garantiert, ob nicht von unberufener Seite von solchen Transporten Aufnahmen gemacht werden? Da wir an und für sich unter den Lügenmeldungen im Auslande stark zu leiden haben, muss man sich wundern, dass wir selbst das Material dafür liefern.“9 Vier Tage später hatten Gestapo und Justiz noch keine Abhilfe geschaffen. „Wir haben uns gestern wiederum davon überzeugen müssen, dass der Andrang der Zuschauer, sagen wir besser, die Demonstration der Kommune noch in einem viel stärkerem Maße vor sich ging, als an den vorherigen Tagen. Man war gestern sogar gezwungen, das Überfallkommando mit einzusetzen. SA-Kameraden, die des Weges kamen, wurden beleidigt.“10 Zwei Wochen später versäumte es der Kreis-Informationsreferent, der Gestapo rechtzeitig die Ankunft von französischen Gewerkschaftern zu melden, die zum Prozessauftakt unbefugt auf Erkundungstour in Wuppertaler Betrieben waren. Der DAF-Geheimdienst berichtete ausführlich nach Berlin, unterließ es aber in diesem Falle, die örtliche Gestapoaußenstelle rechtzeitig zu informieren. Die genauen Umstände der Betriebsbesuche der französischen Delegation wurden der Gestapo erst wesentlich später mitgeteilt, so dass ein Zugriff der Gestapo nicht mehr möglich war.11

In einem anderen Fall nahm das „Amt Information“ eine Gestapo-unabhängige Recherche bei Bemberg vor, um Pressemeldungen von Streiks bei Bemberg nachzugehen. In einem ausführlichen Bericht wies der Informationsreferent die Streikmeldungen als unwahr zurück und verwies auf die sozialen Errungenschaften im Betrieb. Ein von der Gestapo bei Bemberg gesuchter „Julius“ konnte aber dann als Julius Pöhler von der Gestapo namhaft gemacht werden.

Die zeitraubenden und störanfälligen Kommunikationswege wurden erst im Oktober 1936 verkürzt, als die Gestapo nach einer Reihe von Streiks einen kurzen Dienstweg zwischen den lokalen DAF-Funktionären und der örtlichen Gestapo durchsetzte. Erst einen Monat später wurden auch die Kreis- und Gau-Informationsreferenten von der Leitung des „Amts Information“ angewiesen, bei Streikmeldungen und anderen Staatsgefährdungen das bisherige Informationsmonopol aufzugeben und die direkte Kontaktaufnahme der unteren DAF-Instanzen mit der nächsten Gestapostelle zuzulassen.12 Das Amt Information verlor jetzt zunehmend seine Eigenständigkeit, es hatte in den Augen der Gestapo bei der Früherkennung von Streikbewegungen ganz offensichtlich versagt.

In einem anderen Fall beschwerte sich der SD: „Auffallend konnte in der letzten Zeit festgestellt werden, dass Firmeninhaber dazu übergehen, die nationalgesinnten Arbeitskräfte [...] [zu] entlassen und Leute aus dem früheren Regime dafür einzustellen, insbesondere gelte dieses für Vertrauens- und Betriebsobleute. Die Schuld liege hauptsächlich bei der DAF, die es nicht verstehe, ihre Leute zu stützen.[...] Wie sehr der Informationsdienst der DAF versagt, geht insbesondere daraus hervor, dass Hochverräter, welche Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verbüßt haben, ihre alten Arbeitsplätze wieder einnehmen konnten, während es noch genügend Parteigenossen gibt, die bisher noch nicht in die Arbeit gebracht werden konnten.“13

Hauptaufgabe des DAF-Geheimdienstes war die Erkundung der Stimmung in den Betrieben. Bei der Arbeiterschaft der Reichsbahn in Wuppertal stellte er z.B. im Großen und Ganzen Ruhe und Disziplin fest. Bei den Beamten hingegen „Unruhe und Unzufriedenheit durch den Dünkel und Klassenziehung zwischen Arbeiter und Beamten."

In der Bahnmeisterei 2 in Vohwinkel wurden zwei ehemalige RGO-Funktionäre wiedereingestellt, obwohl die „SA-Kameraden noch auf der Straße“ liegen.14 Der DAF-Funktionär Dörner berichtete nur wenig später, dass der für die Einstellung verantwortliche Oberingenieur gerügt wurde. Er verteidigte sich aber mit dem Hinweis, dass man für die Arbeit im Stellwerk eine 10jährige Ausbildung benötige. Die Arbeiter hätten sich im Dienst nie etwas zu Schulden kommen lassen und sie wären außergewöhnlich tüchtige Arbeiter. „Auf die Entgegenhaltung, dass erfahrungsgemäß solche Leute nach Wiedereinstellung systematisch die friedliche Arbeit und anständige Gesinnung der übrigen Arbeitskollegen hätten untergraben können, gab der Abteilungsleiter zur Antwort, dass diese sich nach der Verhaftung von jeglicher pol- akt.- Tätigkeit künftig fernhalten würden.“15 Die DAF setzte sich aber durch, die beiden Arbeiter wurden entlassen.

Die Zuträger berichteten auch von Flugblättern und illegaler Literatur, die in Betrieben zur Verteilung kamen. Aus der Stückfärberei Budde meldete der Informant M 79 am 23. August 1934, dass „in der Wahlnacht auffällig viele Streuzettel der KPD gefunden worden sind. Im Betrieb sind sehr viele KPD- und RGO-Leute, die früher stark aktiv und zum Teil festgenommen waren.“16 Bei Vorwerk & Söhne wurde ein früheres KPD-Mitglied wegen Verteilung der kommunistischen Zeitung „Freiheit“ festgenommen. Am 1. September 1934 wurde eine „Zelle von 20 RGO Leuten“ bei Vorwerk & Co. verhaftet. Bei Budde gelangte erneut „die Hetzschrift Junge Garde zur Verteilung“.17 Einen Monat später wurden zehn Färber ebenfalls bei Vorwerk & Co. wegen Verteilung kommunistischer Flugblätter verhaftet, zwei kamen nach kurzer Zeit wieder frei.18

Am 4. März 1936 meldete der Gauinformationsreferent des Amt Information Alfred Hage, dass erneut Protestschreiben aus Amsterdam in Wuppertal aufgetaucht seien, diesmal wurden sie der DAF-Kreiswaltung in Wuppertal und den DAF-Ortswaltungen in Heckinghausen, Barmen-Nord und Langerfeld zugeschickt. „Da Wuppertal Notstandsgebiet ist und politisch verseucht, wird die Überschwemmung mit derartigen Schreiben aus dem Auslande als Beeinflussung der Arbeiterschaft bezüglich der bevorstehenden VRW [Vertrauensrätewahlen] angesehen.“19

Der DAF-Geheimdienst nahm die Berichte, die die KPD zum Teil auch in illegalen Flugblättern veröffentlichte, sehr ernst. Als der Instrukteur Otto Hertel im Sommer 1934 festgenommen wurde, wurde bei ihm eine Reihe von Stimmungsberichten beschlagnahmt, die akribisch von der DAF ausgewertet wurden. Den Vorwürfen wurde nachgegangen, Probleme benannt, Vorschläge zur Verbesserung ausgearbeitet und bei Falschmeldungen zum Teil auch öffentlich dementiert. Die DAF stellte z.B. fest, dass bei der Färberei Emil Homberg „durchschnittlich gut gearbeitet und tariflich bezahlt“ werde. In einem weiteren (internen) Schreiben räumte der Gau I Referent an den SD-Oberabschnitt West ein, dass es in der DAF zu Unterschlagungen gekommen sei und dass die Berichte der Illegalen zuträfen. „Hier handelt es sich um den SA-Mann Diehl, der Unterschlagung von Beitragsgeldern begangen hat. [...] Es hat sich herausgestellt, dass die Behauptung, die DAF [...] habe den SA Mann-Diehl gedeckt, richtig ist, indem der Kreisbetriebsgemeinschaftswalter eine Strafverfolgung bzw. Strafanzeige abgelehnt hat, obwohl die DAF direkt finanziell nicht geschädigt war, waren jedoch die Mitglieder benachteiligt und dadurch begreiflicherweise in Unstimmigkeit geraten. Später ist jedoch der Betrieb von diesem Schmutzfinken befreit und auch Strafanzeige erstattet worden.“20

In einem weiteren Schreiben wies der DAF-Geheimdienst einen Bericht zurück, wonach in der ehemaligen Konsumgenossenschaft Sammellisten für NS-Organisationen auf dem Boden zertrampelt worden seien. Der „Kreisreferent I. - 20“ erklärte die geringe Zeichnung der Sammelliste für Luftschutz mit dem Umstand, dass „die Gefolgschaft durch andere Beiträge überlastet“21 sei.

 

1 Vgl. Roth, Facetten des Terrors, S. 9-53.

2 Vgl. ebd., S. 16.

3 Vgl. Meldungen über marxistische Umtriebe im Gau Düsseldorf. Februar bis Dezember 1934, Amt Information Bericht Nr. 1420, BArch B, NS /5/IV Nr. 14.

4 Ebd.

5 Vgl. ebd.

6 Bericht von A.-R, 4 an Sturmbannführer Behringer, DAF vom 16.3.1934, ebd.

7 Bericht von A.-R, 4 an Sturmbannführer Behringer, DAF vom 8.5.1934, ebd.

8 Vgl. SD-Bericht vom 15.10.1936, Sammelmappe des SD-Unterabschnitts Düsseldorf, LAV NRW R, RW 58, Nr. 55535.

9 Bericht Amt Information Wuppertal vom 16.1.1936, BArch B, R 58/339.

10 Ebd. Bericht Amt Information Wuppertal vom 20.1.1936, BArch B, R 58/339.

11 Vgl. BArch B, R 58/339.

12 Vgl. Roth, Facetten des Terrors, S. 22.

13 SD-Bericht vom 15.10.1936, Sammelmappe des SD-Unterabschnitts Düsseldorf, LAV NRW R, RW 58, Nr. 55535.

14 Bericht über die Reichsbahn Wuppertal vom 25.5. 1934, Meldungen über marxistische Umtriebe im Gau Düsseldorf. Februar bis Dezember 1934 Amt Information Bericht Nr. 1420, BArch B, NS /5/IV Nr. 14.

15 Bericht vom 26.7.1934, ebd.

16 W-Barmen meldet M 79 vom 23.8.1934, ebd.

17 Bericht vom 1.9.1934, ebd.

18 Betr. Vorwerk und C., Bericht vom 5.10.1934, vgl. ebd.

19 Amt Information Wuppertal , der Gauinformationsreferent vom 4.3.1936, BArch B, PST 3/312.

20 Bericht des Gau I Referenten an den SD-Oberabschnitt West vom 23.11.1934 zu den Stimmungsberichten von Hertel, ebd.

21 Ebd.

 

 

 

Fehler | Gedenkbuch Wuppertal

Fehler

Auf der Website ist ein unvorhergesehener Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später nochmal.