Erinnerung und Gedenken

 

Ehrung der Opfer und Gedenken

Grundsätzlich tat sich die BRD schwer mit der Ehrung von Widerstandskämpfern aus der Arbeiterbewegung, besonders wenn sie Kommunisten waren. In der DDR hingegen war die Erinnerung an ausgewählte antifaschistische Widerstandskämpfer Staatsdoktrin. Auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin wurde u.a. an die Wuppertaler Widerstandskämpfer Ewald Funke, Alois Kaps und Willy Muth erinnert.1

Auch in Wuppertal entwickelte sich eine Gedenkkultur für Opfer des Nationalsozialismus erst sehr spät. Am 16. Oktober 1955 wurde ein Mahnmal für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus auf dem Friedhof am Weinberg eingeweiht. Am 15. November 1958 wurde auf Initiative von Karl Ibach im Deweerthschen Garten ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Sockel eines ehemaligen Kaiserdenkmals installiert.2 Eine jährliche Gedenkveranstaltung am 20. Juli ist bis heute die einzige offizielle Veranstaltung zum Widerstand geblieben, die sich bis in die neunziger Jahre hinein inhaltlich stark auf das Wirken der Widerstandskämpfer des 20. Juli konzentrierte. Erst 1973 ergänzte die Stadt Wuppertal auf Initiative der VVN ihr zentrales Denkmal für die Wuppertaler Opfer des Nationalsozialismus im Deweerthschen Garten durch eine Tafel am Sockel mit der wenig aussagekräftigen Aufschrift „KZ Kemna 5. Juli 1933 - 19. Jan. 1934“.3

Ein Gedenken direkt auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Kemna war bis zur städtischen Gedenkfeier am 21. Juni 2008 anlässlich des 75. Jahrestages der Einrichtung des Konzentrationslagers nicht möglich. Ehemalige Häftlinge waren bis dahin von den Besitzern des Geländes verjagt worden. Das heute noch kommerziell genutzte Gebäude, welches von den Häftlingen in Zwangsarbeit errichtet wurde, trägt nach wie vor kein Erinnerungszeichen. Das Anbringen einer Gedenktafel am Gebäude wurde vom damaligen Eigentümer nicht gestattet

Im Jahre 1981 beschloss der Stadtrat die Errichtung eines „würdigen Mahnmals“ und schrieb einen Jugendwettbewerb zu dessen Gestaltung aus. Die Finanzierung erfolgte ausschließlich durch Spenden. Zwei Jahre später, am 3. Juli 1983 konnte das „Mahnmal KZ Kemna“ vor über 3.000 Menschen in Anwesenheit von Ministerpräsident Johannes Rau eingeweiht werden.4 Kommunistisch engagierte ehemalige Häftlinge aus der VVN durften bei der Einweihung offiziell keine Rede halten. Das Mahnmal ist seitdem in der Obhut des Jugendrings, der Arbeitsgemeinschaft Wuppertaler Jugendverbände, der jedes Jahr Anfang Juli eine Gedenkfeier für die NS-Opfer organisiert.5

1972 wurde auf dem Kommunalen Friedhof in Ronsdorf eine Ehrengrabanlage angelegt. Dort sind u.a. die Widerstandskämpfer Otto Böhne, August Obermeier, Alois Kaps und Robert Schüller begraben. Weiterhin befinden sich dort die Gräber der wegen „Fahnenflucht“, „Wehrkraftzersetzung“, Desertation und Befehlsverweigerung ermordeten Soldaten, die auf dem Schießstand in Ronsdorf-Erbslöh hingerichtet wurden.

Die Diskussionen um würdige Zeichen des Gedenkens an den Stätten des NS-Terrors in Wuppertal gehen bis heute weiter. Das alte Polizeigefängnis an der Bachstrasse in Barmen verfällt und soll abgerissen werden, die Forderung nach Bestandserhalt und Erinnerungstafeln zum Gedenken an die Opfer wurde bisher nicht erfüllt. Seit 1999 hat die Polizei am Polizeipräsidium nach mehrjährigen Bemühen aber eine Gedenktafel für die Opfer der Wuppertaler Gestapo angebracht. Erfolgreich waren auch die Bemühungen von antifaschistischen Gruppen, im Jahre 2007 eine Gedenktafel für das evangelische Vereinshaus, dem damaligen Sitz der Gestapo, durchzusetzen.

Widerstandskämpfer aus der Arbeiterbewegung werden bis zum heutigen Tage nur sehr spärlich in Wuppertal geehrt. Bisher sind in der ehemaligen Hochburg der Arbeiterbewegung nur insgesamt vier Widerstandskämpfer aus der Arbeiterbewegung durch Straßenbenennungen geehrt worden. Unter ihnen sind mit Karl Ibach und Friedrich Senger zwei prominente Angeklagte aus den Gewerkschaftsprozessen. Weiterhin gibt und gab es eine Reihe von „privaten“ bzw. politischen Initiativen für eine lokale Erinnerung. Eine Schülerin installierte 2002 in Privatinitiative einen Stolperstein für Rita Gerszt. Die Stadt Remscheid erinnert seit 2006 mit einem Stolperstein an Josef Linden. In Solingen wurden am 7. Februar 2006 Wilhelm Reeks in der Bergerstrasse 63 und im April 2007 auch Ernst Bertram in der Altenhofer Straße 76 mit einem Stolperstein geehrt.

Am 6. Mai 1995 wurde nach jahrelangem Ringen mit den Justizbehörden das von Ulle Hees geschaffene Denkmal für Opfer der Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse aufgestellt. Das Denkmal wurde im Beisein des Widerstandskämpfers Rudi Höffgen und des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau feierlich eingeweiht. Es musste aber im Zuge von Baumaßnahmen wieder abgebaut werden. Im November 2006 wurde 70 Jahre nach den Prozessen das Denkmal für die Angeklagten der Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse vor dem Landgericht wieder neu eingeweiht. Der Präsident des Wuppertaler Landgerichts hielt den Festvortrag und gedachte der Opfer der NS-Justiz. Alexander von Plato sprach in seinem Vortrag zur Erinnerung an den Arbeiterwiderstand davon, dass er es sich nicht hätte träumen lassen, jemals gemeinsam mit einem Gerichtspräsidenten auf einer solchen Veranstaltung aufzutreten.6

Diese neue Aufgeschlossenheit hat sich aber noch nicht wirklich durchsetzen können. Ausgerechnet vor den großen Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag der Eröffnungdes KZ Kemna ist die Benennung einer Treppe nach den jüdischen Widerstandskämpfern Izchock und Rita Gerszt an der Bezirksvertretung Elberfeld gescheitert. Izchock und Rita Gerszt waren nach den Wuppertaler Gewerkschaftsprozessen in Auschwitz bzw. in Bernburg ermordet wurden. Die Bezirksvertretung lehnte mit der folgenden bemerkenswerten Begründung einen Antrag der Grünen Fraktion ab: „Der Bezirksbürgermeister teilt mit, dass nach Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter dringend davon abgeraten werde, diese Benennung zu beschließen. So sei diese Familie nur eine von ca. 1200 ermordeten Familien in Wuppertal. Sich hiervon eine auszusuchen sei nicht ratsam.“ (Bezirksvertretung Elberfeld 2.4.2008)

Trotz dieser Absage erinnert mittlerweile eine kleine private Gedenktafel an Izchock und Rita Gerszt. Sie konnte in Anwesenheit von Stephanie Gerszt, der einzigen Tochter der Widerstandskämpfer, enthüllt werden. Stephanie Gerszt-Furman war am 22. Juni 2008 auf Einladung des „Vereins zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wupperrtal e.V.“ zum ersten Mal nach ihrer Flucht wieder in Wuppertal.7 Seit 2009 sind auf Initiative der Gruppe „Stolpersteine in Wuppertal e.V.“ auch zwei Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnhaus der Gerszt in der Reiterstrasse verlegt worden.

Die (vorerst) letzte Etappe einer engagierten Wuppertaler Geschichtspolitik war die Durchsetzung eines Denkmals mit den Namen aller Wuppertaler NS-Opfer am kommunalen Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus im Deweerthschen Garten in Wuppertal-Elberfeld.8 Der „Förderverein Deweerth´scher Garten e.V.“ versuchte am 4. April 2011 in letzter Minute mit einer kleinen Pressekampagne, die Aufstellung dieser Gedenktafel mit den über 3.100 Namen zu verhindern. In einem Brief an die zuständige Bezirksvertretung und an die Presse wandte sich der Verein unter der Überschrift „Kein Anschlag am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus!“ gegen die Gedenktafel mit dem bemerkenswerten Argument, dass „man die meisten Namen dann wohl kaum bequem aus Augenhöhe lesen könnte.“9

Einen wirklichen Anschlag verübten dann Wuppertaler Neonazis in der Nacht vor der Gedenkfeier. Gleichsam zur Begrüßung der internationalen Gäste und Angehörigen der NS-Opfer beschmierten sie das Denkmal mit Farbe und sprühten große Hakenkreuze. Dank einer Reinigungsfirma konnte das Denkmal rechtzeitig gesäubert werden. Die Gedenkfeier konnte am 66. Jahrestag der Befreiung Wuppertals mit der (provisorischen) Enthüllung der Gedenktafel in einer ausgesprochen würdigen Atmosphäre im Beisein von zahlreichen Angehörigen der Wuppertaler NS-Opfer stattfinden, die aus dem In- und Ausland angereist waren.10 Unter den Hauptrednern war auch Marianne Hecht-Wieber, die Tochter des Wuppertaler Widerstandskämpfers und Angeklagten der Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse Emil Löhde. Die feste Anbringung der Gedenktafel wurde im Juli 2011 vom Wuppertaler Stadtrat einstimmig beschlossen und auf einer Gedenkfeier am 20. Juli 2011 umgesetzt.

 
1 Die Inschrift lautet: „Im antifaschistischen Widerstand 1933-1945 ließen diese 327 Frauen und Männer aller Generationen ohne Unterschied der politischen, weltanschaulichen und sozialen Zugehörigkeit ihr Leben.“ In: Hoffmann, Joachim: In deinem Friedrichsfelde ruht, S. 38f.
2 Vgl. Puvogel, Ulrike/Stankowski, Martin: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus, eine Dokumentation, Bonn 1995, S. 290-291. Zum Mahnmal im Deweerthschen Garten, S. 637.
3 Ausführlich bei Mintert, Kemna, S. 238. Vgl. „Heute vor 40 Jahren: Privat-KZ der SA“, in: Neue Ruhr- neue Rheinzeitung (NRZ) vom 5.7.1973.
4 Vgl. „KZ-Mahnmal Kemna eingeweiht“, in: Westdeutsche Zeitung vom 4.7.1983.
5 Vgl. Jugendring Wuppertal (Hg.): 10 Jahre Mahnmal KZ Kemna, Wuppertal 1993.
6 Vgl. Vortrag von Alexander von Plato in Wuppertal anlässlich des Jahrestages der Gewerkschaftsprozesse von 1935, gehalten am 29.11.2005.
7 „Eine Reise in die eigene Vergangenheit. 61 Jahre nach ihrer Flucht war Stephanie Douglas-Furman wieder in Wuppertal.“ In: Westdeutsche Zeitung, Ausgabe Wuppertal, 22.6.2008.
8 Das Wuppertaler Denkmal der Namen wird ergänzt durch ein digitales und interaktives Gedenkbuch, das ebenfalls am 16.4.2011 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Vgl. www.gedenkbuch-wuppertal.de.
9 Brief des Fördervereins Deweerth´scher Garten Wuppertal e.V. vom 4.4.2011.
10 „Wuppertal gedenkt der Opfer des Nazi-Terrors.Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen in Wuppertal enthüllt Namen von 3.100 Nazi-Opfern.“ In: Westdeutsche Zeitung, Ausgabe Wuppertal 15.4.2011.