Zwangsarbeitende in Wuppertal

 

Wir hoffen mit der Veröffentlichung im Internet auch die Angehörigen der ZwangsarbeiterInnen zu erreichen. Bisher wissen wir nur sehr wenig über die in Wuppertal zu Tode gekommenen ZwangsarbeiterInnen. Daher bitten wir besonders die Angehörigen, nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wir sind sehr an  biographischen Details und an Fotos der in Wuppertal Gestorbenen interessiert.

Wenn Sie einen Angehörigen in der Liste finden, melden Sie sich bitte. Ein großes Problem bei den sowjetischen ZwangsarbeiterInnen ist die oft fehlerhafte Transskription und Schreibweise der Namen. Auch hier bitten wir um Berichtigung der Schreibweise.  

Diese Liste basiert maßgeblich auf den Erhebungen von Florian Speer, der die Sterberegister des Standesamtes in Wuppertal ausgewertet hat. Seit zwei Jahren sind auch Unterlagen im ITS- Archiv in Bad Arolsen verfügbar, insbesondere umfangreiche Friedhofslisten, auf die wir bei der Recherche zurückgreifen konnten.

 

Interviews von ZwangsarbeiterInnen, die in Wuppertal gearbeitet haben.

https://zwangsarbeit-archiv.de/archiv/interviews/za383

https://zwangsarbeit-archiv.de/archiv/interviews/za031

https://zwangsarbeit-archiv.de/archiv/interviews/za022

https://zwangsarbeit-archiv.de/archiv/interviews/za404

 

 

Zwangsarbeit in Wuppertal

Ungefähr 20.000 - 25.000 ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangene mussten in Wuppertal Zwangsarbeit leisten. Von ihnen starben mindestens 1.107, die uns namentlich bekannt sind. Unter den Toten sind 175 tote Zwangsarbeiterkinder, 139 von ihnen sind namentlich beerdigt worden.  Eine hohe Sterberate hatte das sog. „Säuglingsheim“ der Firmas Kolb & Co.  Hier starben allein 26 Kleinkinder. Die höchste Todesrate hatte das Durchgangslager am Giebel, das unter der Verwaltung des Arbeitsamtes stand. Hier starben 44 Kinder.  Vor allem die Kinder von russischen oder ukrainischen Müttern hatten geringe Überlebenschancen: Florian Speer hat für das Jahr 1944 eine Todesrate von 24,5 % errechnet,  die Todesrate für polnische Kinder betrug im  gleichen Zeitraum  "nur" 3 %.

Bei den  erwachsenen ZwangsarbeiterInnen wurden als häufigste Todesursachen in den offiziellen Sterbeurkunden meist Krankheiten  wie TBC, Ruhr, Lungenentzündung und  Fleckfieber  angeben. Eine große Zahl von ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen kam auch bei Luftangriffen ums Leben. Die Zwangsarbeitenden hatte oftmals keinen Zugang zu den normalen Luftschutzkellern und mussten sich zum Teil in der Kanalisation oder in Tunneln verstecken. Während 1944 6 Zwangsarbeitende bei Luftangriffen den Tod fanden, starben 1945 in vier Monaten 132 ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangene. Besonders tragisch ist der Tod von 9 französischen Kriegsgefangenen und 8 ZwangsarbeiterInnen in Vohwinkel. Sie ertranken in der Nacht des großen Bombenangriffs auf Vohwinkel vom 31.12.1944 in der Siedlung Bremkamp in einem Kanal am Neulandweg.

Repression und Vernichtung

Bei Fehlverhalten und Nicht-Funktionieren für den Betrieb, das konnte Unpünktlichkeit, Absentismus, mangelnde Arbeitsleistung, Krankheit, Schwangerschaft oder Sabotageverdacht sein, drohten den Zwangsarbeitern schwerste Repressalien. Sexuelle Beziehungen von männlichen  Ostarbeitern mit deutschen Frauen  führten zu "Sonderbehandlung", d.h. der Hinrichtung der Beschuldigten oder zur Einlieferung in ein KZ..  Arbeitsunfähige ZwangsarbeiterInnen mit schweren Krankheiten wurden zum Teil in sogenannte "Sterbelager" gebracht oder auf "Vorschlag" zur "Sonderbehandlung" vorgesehen, dies bedeutete die Einlieferung in Anstalten wie Hadamar und Meseritz-Obrawalde, in denen tausendfach Zwangsarbeiter totgespritzt wurden. Schwangere Frauen wurden zur Abtreibung gedrängt. Neugeborene Kinder wurden in einigen Fällen nach der Stillzeit bei "rassischer Eignung" den Müttern entzogen und zur "Aufzucht " zu "arischen" Eltern oder in Einrichtungen wie dem Lebensborn verbracht. "Rassisch minderwertige" Kinder wurden in sog. Ausländerkinder-Pflegestätten gebracht, in denen die meisten verhungerten oder an Krankheiten starben. Eine Anzeige des Betriebes bei der Gestapo oder beim Arbeitsamt konnte zur Einlieferung in ein Arbeitserziehugslager oder KZ führen. In der letzten Kriegsphase führten "Beschwerden" des Arbeitsgebers vor die Erschießungskommandos der Gestapo und der Ordnungspolizei.

Arbeitserziehungslager

Auch für Wuppertal finden sich einige Dokumente zum Thema Arbeitserziehungslager und Disziplinierung der ZwangsarbeiterInnen. Ein konkreteres Bild ergibt sich in Bezug auf die Einweisung in Arbeitserziehungslager durch die Auswertung der Gestapo-Akten. So denunzierte das führende Textilunternehmen Bemberg in einem Schreiben vom 25.11.1941 an die Gestapo den tschechischen Zwangsarbeiter Rudolf Neugebauer wegen sogenannter Arbeitsbummelei. "Auf Grund seiner vielen unentschuldigten Fehltage wurde er bereits 6 mal von uns verwarnt und mit Geldbussen von insgesamt 8 Schichtlöhnen belegt. Außerdem meldeten wir ihn schon 4 mal dem Beauftragten des Reichstreuhänders der Arbeit, und wurde er von demselben auch verwarnt. N. gehört zu denjenigen Tschechen, die ihre Arbeitskameraden aufwiegeln und sie von der Arbeit fernzuhalten suchen. Seine Hetzereien haben schon verschiedentlich zu Tätlichkeiten geführt (...) Wir bitten Sie um sofortige Verhaftung des Obengenannten, damit die Verhetzung der übrigen Tschechen aufhört. Heil Hitler! I.P. Bemberg Aktiengesellschaft. gez. Unterschriften."
In einem Schreiben vom 16.12.1942 schreibt die Gestapo Außenstelle Wuppertal: "Wegen rein willkürlicher Arbeitsbummelei wurde Neugebauer auf Hinweis des Arbeitgebers am 15.12.1942 in das Polizeigefängnis Wuppertal eingewiesen. Neugebauer war schon mal im Arbeits- und Erziehungslager Gladbeck. Ich schlage daher unter der Voraussetzung des dort. Einverständnisses seine erneute Inhaftierung von 21 Tagen vor, besonders, weil Neugebauer während dieser Zeit zu unentgeltlicher schwerer körperlicher Arbeit herangezogen wird."

In einem zweiten Fall ist es erneut die Geschäftsleitung von Bemberg, die einen tschechischen Zwangsarbeiter wegen "Arbeitsverweigerung aus reiner Faulheit" bei der Gestapo anzeigt: "Bei W. handelt es sich um einen total verbummelten Menschen, der einer geregelten Arbeit aus dem Wege geht. Statt zu arbeiten hat er mit gleichgesinnten Kameraden Spaziergänge unternommen.. Da die bisherigen Strafen und Warnungen bei ihm erfolglos waren, ist seine Einweisung in ein Arbeitserziehungslager unbedingt notwendig, um ihn endlich zu einer geregelten Arbeit zu erziehen", so fasste die Wuppertaler Gestapo am 27.3.1942 die Anzeige von Bemberg zusammen. Der Zwangsarbeiter wurde in das berüchtigte AEL Mühlheim/ Essen am Flughafen überstellt.
Das gesamte Ausmaß der Einweisungen in die AEL´s ist für Wuppertal noch nicht bekannt. Aktenkundig ist aber, daß die Häftlinge vorzugsweise in das AEL Hunswinkel im Sauerland und in das AEL Flughafen Mülheim/Essen eingeliefert wurden. Darüber hinaus besaßen sämtliche Außenstellen der Düsseldorfer Gestapo, also auch Wuppertal, eigene Auffanglager in großen Industrieunternehmen, so bei der Firma Reinshagen in Wuppertal-Rondsdorf. Nach neueren Forschungen von Gabriele Lotfi ist auch die Existenz eines polizeilichen Auffanglagers bei den Rheinisch-Westfälischen Kalkwerken in Wuppertal -Dornap nachgewiesen, in dem vor allem niederländische Zwangsarbeiter eingesperrt waren.

Kinder der Zwangsarbeiterinnen

In der  Pionierstudie von Meyer-Kahrweg von 1984 zu Zwangsarbeit in Wuppertal werden sechs Wuppertaler Firmen genannt, die sog. Säuglingsheime" eingerichtet hatten: August Luhn, Herberts, Kolb &Co., Espenlaub, Kabel- und Drahtwerk Vohwinkel, Schäffer & und Homberg  ".
Nach den vorliegenden Totenlisten starben mehr als 170 Zwangsarbeiterkinder in Wuppertal, ein großer Teil starb im „Säuglingsheim bei Kolb & C. in Wuppertal- Wichlinghausen und im Durchgangslager  Am Giebel.
In der Literatur und in den im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf vorliegenden Archivalien ist für andere Städte  ein sehr brutaler Umgang mit schwangeren ZwangsarbeiterInnen nachweisbar. Insbesondere Ostarbeiterinnen, die schwanger wurden, wurden seit dem Juli 1943 gemäß des Runderlasses des Reichsführers der SS Heinrich Himmler vom 27. Juli 1943 nicht mehr in den Osten "abgeschoben", sondern wurden entweder zur Abtreibung gedrängt oder es wurden die Entbindungen zum Anlaß genommen, die rassische Qualität zu überprüfen, um nach erfolgtem Gutachten das "eindeutschungsfähige" Kind der Mutter wegzunehmen und bei "arischen " Eltern aufwachsen zu lassen. So lesen wir in einem Rundschreiben von Kaltenbrunner gerichtet an alle Gestapodienststellen vom 27. Juli 1943:
"Die Notwendigkeit, den Verlust deutschen Blutes an fremde Volkskörper zu verhindern, wird durch die Blutsopfer des Krieges verstärkt. Es gilt daher, die Kinder von Ausländerinnen, die Träger zum Teil deutschen und stammesgleichen Blutes sind und als wertvoll angesehen werden können, nicht (...) den "Ausländerkinder-Pflegestätten" zuzuweisen, sondern nach Möglichkeit dem Deutschtum zu erhalten und sie daher als deutsche Kinder zu erziehen. (...) Zu diesem Zweck melden die Betriebe sämtliche Schwangerschaften über das zuständige Arbeitsamt dem Jugendamt. (...) Verweigert die Schwangere die Aussage über den Erzeuger, kann das Jugendamt gegebenenfalls eine Vernehmung durch die Staatspolizeistelle beantragen." Die Schwangerschaften "meldet das Jugendamt formularmäßig dem Höhereren SS- und Polizeiführer zur rassischen Überprüfung. (...) Die gesundheitliche, erbgesundheitliche und rassische Untersuchung wird von den Arzten der Gesundheitsämter durchgeführt. Dem SS- Führer im Rasse- und Siedlungswesen als Vertreter des zuständigen Höheren SS- und Polizeiführers in seiner Eigenschaft als Beauftragter des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums wird gleichzeitig Gelegenheit gegeben, seinerseits seine Feststellungen nach den Richtlinien des Reichsführers SS zu treffen."
Die Kinder von "minderer rassischer Qualität" wurden ebenfalls den Frauen entzogen und in sogenannten "Ausländerkinder-Pflegestätten eingewiesen. Dort starben, so weisen verschiedene Regionalstudien nach, zahlreiche Kinder an Unterernährung und Krankheiten, in manchen Einrichtungen griff das "Pflegepersonal" zur Giftspritze und Medikamenten, um die "nutzlose Ausländerbrut" zu beseitigen. Ulrich Herbert fasst den bisherigen Forschungsstand sehr bedrückend wie folgt zusammen: "Aus den bisherigen Erkenntnissen läßt sich aber die Vermutung ableiten, daß die Tötung der "Ostarbeiter-Kinder" in der letzten Kriegsphase einen systematischen und in allen Teilen des Reiches durchgeführten Massenmord darstellte"
Angesichts der eindeutigen Anordnungen an die Gestapoleitstelle in Düsseldorf und an die Wuppertaler Gesundheits- und Jugendämter und angesichts der zahlreich erhalten gebliebenen Kindergräber auf Wuppertals Friedhöfen muss auch für Wuppertal zumindest in Erwägung gezogen werden, das die Kinder der Zwangsarbeiterinnen ähnlich wie in allen anderen Städten und Gemeinden unter den Bedingungen der "Ausländerkinder-Pflegestätten" nur wenig Überlebenschancen hatten.
Und nicht nur für die Forschung, sondern vielmehr für die überlebenden, vielfach deswegen traumatisierten Mütter bleibt die Frage nach dem Verbleib ihrer Kinder.
Für die Mütter der "rassisch" für "eindeutschungsfähig" gehaltenen Kinder begann nach dem Krieg die Suche nach ihren Kindern, ein Problem, was heute noch in Polen sehr bedrückend und aktuell ist. Für die in den "Ausländerkinder-Pflegestätten" zum Teil vorsätzlich getöteten oder zu Tode gekommenen Kinder blieb nur die Suche nach den Grabstätten und für die Frauen die seelische Verarbeitung der Verbrechen.

Wir wissen bislang wenig über das Schicksal der Zwangsarbeiter-Kinder in Wuppertal. Hier sind in vielen Richtungen noch Nachforschungen nötig. Möglicherweise sind bei den genannten Firmen noch Akten vorhanden oder Zeitzeugen zu befragen, eine andere Spur könnte in Richtung Landesfrauenklinik oder zu den zuständigen Jugend- und Gesundheitsämtern führen oder zu den Ärzten, die die rassische Untersuchung im Auftrage der SS durchgeführt haben. Bis dahin gibt es keine Grund für die Annahme, in Wuppertal seien diese Verbrechen nicht vorgekommen.

Sexuelle Beziehungen und sexuelle Gewalt

"Die Gefahren, die durch den immer größer werdenden Einsatz ausländischer Arbeit für die deutsche Heimat entstehen, können nur abgewendet werden, wenn gegen alle schwerwiegenden Verstöße rücksichtslos vorgegangen wird."

Aufgrund der kriegspolitischen Erfordernisse waren die Deutschen "gezwungen", Millionen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen ins Deutsche Reich zu verschleppen. Dies führte zu großen Besorgnissen wegen der Reinhaltung der deutschen Rasse. In der Tat wurde der "Verbotene Umgang mit Ausländern und Kriegsgefangen" zum Massendelikt. Nach Herbert machten 1942 alle Fälle, die mit "Ausländern" zu tun hatten, etwa 80% aller Verhaftungen der Gestapo aus.
Mit einem Mischung aus Klatsch und Tratsch, Denunziation, Verdächtigungen und Andeutungen wurden die Verfolgungsbehörden mit Anzeigen versorgt. Hierzu bemerkte der zuständige Referent im RSHA, Thomsen in seiner Vernehmung nach dem Krieg: "das Anzeigen  (...) oft von Deutschen aus niedrigen Motiven der Eifersucht, der Rachsucht, der Mißgunst oder des Nachbarstreites unter Deutschen erstattet wurden." Dieses rege Denunziatonswesen hatte aber häufig tötliche Konsequenzen.

Am gravierendsten schätzten die staatlichen Stellen den Geschlechtsverkehr zwischen "fremdvölkischen Männern und deutschen Frauen ein.  Hier sollten die Strafen drakonisch sein:
"Die Durchführung der Sonderbehandlungen bezweckt vor allem eine Abschreckung ( der) im Reichsgebiet eingesetzten fremdvölkischen Arbeitskräfte. Diese wird jedoch im vollen Umfange nur erreicht, wenn die Sühne der Tat möglichst auf dem Fuße folgt. (...) Exekutionen sind in der Regel im KL oder in der Nähe von Arbeitserziehungslagern durchzuführen. Am Tatort sind sie nur vorzunehmen, falls dies zur Abschreckung notwendig erscheint und deshalb besonders angeordnet wird."
Die betroffene deutsche Frau wurde ebenfalls in Schutzhaft genommen und mußte die Untersuchungsergebnisse abwarten, ob die beteiligten Männer eventuell doch als Volksdeutsche gelten konnten. Erst nach der Einholung der rassischen Beurteilung beim zuständigen SS-Führer im Rasse- und Siedlungswesen in Düsseldorf entschied sich das weitere Schicksal.
Ein anderer Fall war für die Deutschen der Geschlechtsverkehr zwischen deutschen Männern und weiblichen fremdvölkischen Arbeitskräften.
Die SS machte in der Behandlung der Zwangsarbeiterinnen deutliche Unterschiede: "In Fällen, in denen die fremdvölkische Arbeiterin zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs unter Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses durch den deutschen Mann veranlasst worden ist, ist sie kurzfristig ( bis zu 21 Tagen) in Schutzhaft zunehmen und nach Haftentlassung an eine andere Arbeitsstelle zu vermitteln. Wenn ein Abhängigkeitsverhältnis nicht bestanden hat, ist die Einweisung in ein Frauenkonzentrationslager zu beantragen."
Für den beteiligten deutschen Mann ist "grundsätzlich die Einweisung in ein KL zu beantragen. Daneben können je nach Lage des Falles weitere staaatspolizeiliche Maßnahmen oder Auflagen (Sicherungsgeld) in Vorschlag gebracht werden. Wenn der deutsche Mann unter besonders verantwortungsloser und brutaler Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses die fremdvölkische Arbeiterin zum Geschlechtsverkehr veranlasst und damit das Ansehen des deutschen Mannes in besonderem geschädigt hat, ist dies in dem Bericht ausdrücklich hervorzuheben, damit noch weitgehendere Maßnahmen ergriffen werden können. Die Gefahren, die durch den immer größer werdenden Einsatz ausländischer Arbeit für die deutsche Heimat entstehen, können nur abgewendet werden, wenn gegen alle schwerwiegenden Verstöße rücksichtslos vorgegangen wird."

Für den Raum Wuppertal finden sich einige Dokumente, die sich mit der "Ahndung schwerwiegender Verstöße und unerlaubten Geschlechtsverkehrs fremdvölkischer Arbeitskräfte und Kriegsgefangenen" befassen. Es finden sich aber keine Dokumente von Erschießungen und Erhängungen von polnischen, russischen und ukrainischen Zwangsarbeitern, die es zweifellos auch im Raum Wuppertal gegeben haben muß. Dieser Personenkreis war offensichtlich nicht würdig genug, das die Gestapo hier eine eigene Akte angelegt hätte.
"Eine Abgabe der Vorgänge an die Justiz findet grundsätzlich nicht statt. An sie sind nur die Fälle weiterzuleiten, in denen aus stimmungspolitischen Gründen eine gerichtliche Aburteilung wünschenswert erscheint und durch vorherige Fühlungsnahme sichergestellt ist, daß das Gericht die Todesstrafe verhängen wird."
Nur die betroffene Frau wurde aktenmäßig erfasst. Die Männer, die eines "GV-Verbrechen" beschuldigt wurden , wurde ohne Aktenvorgang und Gerichtsverhandlung zur "Sonderbehandlung vorgeschlagen" und hingerichtet. In den Akten der Gestapo erscheinen deshalb nur die Verfahren der Tschechen und Polen, denen von Staats wegen eine Chance eingeräumt wurde, "eingedeutscht" zu werden, und so der Tötung zu entgehen.

Auch hier ist die Denunziation meist der Anfang eines Leidensweges der Betroffenen, der bei den Männern mit der Erschießung und bei den betroffenen Frauen mit der Einlieferung in ein Konzentrationslager enden kann.
Zitieren möchte ich als erstes den Fall des tschechischen Zwangsarbeiters von Bemberg Robert P. , der sich mit einer Deutschen anfreundete und eine verbotene Liebesbeziehung begann.
Das Verhältnis wurde bei der Gestapo bekannt, weil der Sohn der Frau in der Schule von dem tschechischen Mann erzählte, der häufig bei seiner Mutter war. Der Lehrer meldete dies bei der Gestapo. Beide wurden festgenommen, die Frau wurde verwarnt und wieder entlassen, der Mann für 4 Monate ins Gefängnis eingewiesen. Wieder in Freiheit wurde Robert P. erneut in der Wohnung seiner Freundin angetroffen und wieder verhaftet. Der Einlieferung in ein KZ entging er durch ein Wunder. Parallel zu seiner Festnahme fand eine Überprüfung seiner "Eindeutschungsfähigkeit" statt, die bei den sogenannten "GV (Geschlechtsverkehr)-Verbrechen" obligatorisch wurde. Robert P. hatte Glück, seine Fotos bewiesen seine "Eindeutschungsfähigkeit", er wurde wieder entlassen.
Nicht so glimpflich verlaufen ist der Fall der beiden polnischen Zwnagsarbeiter, Karl Pohl und Jerzi Grodzicki, beide beschäftigt bei IG Farben in Wuppertal. Am 12.1.1942 wurden sie wegen verbotenen Umgangs mit deutschen Mädchen festgenommen. Der Werkschutz von IG Farben Wuppertal fing Liebesbriefe ab und meldete am 16.12.1941 der Gestapo: "Es wurde bekannt, dass der in unserem Werk (...) beschäftigte Pole Karl Pohl in Briefverkehr mit einem vermutlich deutschem Mädel steht. Pohl soll sich bereits mit dem Mädel getroffen haben (...) Pohl schreibt die Briefe an das Mädel ohne Absender, desgleichen das Mädel an ihn."
Die "Ermittlungen" weiteten sich aus, auch sein polnischer Arbeitskollege Jerzi Grodzicki kam ins Visier der Ermittlungen, auch er hatte sich mit deutschen Mädchen getroffen und sie in Lokal eingeladen. Die Verhöre ergaben für die Gestapobeamten ein klares Bild: "Das Benehmen des Grodzicki ist rein polnisch, er ist unterwürfig und nach oben schielend. Achtung vor dem Gesetz hat er nicht"18 Pohl "zeigt das typisch polnische unterwürfige Benehmen."19 Für beide polnischen Zwangsarbeiter wurden Schutzhaftanträge gestellt. Kurz vor der Einlieferung in ein KZ kam aber für Pohl der rettende Bescheid. Die Nazis halten ihn aufgrund seiner äußeren Erscheinung in einem Gutachten für "eindeutschungsfähig", er wird wieder freigelassen. Jerzi Grodzicki ist nicht "deutsch genug", er kommt ins KZ Mauthausen, wo er am 14.1.1943 zu Tode kommt.

Ein andere Aspekt der Zwangsarbeit ist die sexuelle Gewalt gegen Zwangsarbeiterinnen.
Aktenkundig ist z.B. der Fall des  Oberingenieurs der Wuppertaler Firma  Jaeger, ein gewisser  Ludwig M. Er kam 1942  mit Gestapo, der DAF und dem Arbeitsamt in Konflikt, weil er "seine " ukrainische Zwangsarbeiterin brutal misshandelt hat. "Die DAF stellte Anzeige, der Lagerarzt  des Durchgangslagers Am Giebel, Dr. Pfeil schrieb in seiner ärztlichen Beurteilung: "Ich habe in meinem ganzen Leben eine derartige Zurichtung eines menschlichen Wesens noch nicht gesehen, insbesondere nicht bei einer Frau." Der DAF-Obmann Dröner formulierte in einem Brief an den NSDAP- Kreisleiter Strassweg: "Bedauerlich ist, das es sich hier um eine Ukrainerin handelt, deren Vater wegen deutsch-sympathisierend [sic]verdächtig von den Bolschewisten nach Sibirien verschleppt wurde und die Mutter angeblich eine Deutsche sein soll. Daß es sich um eine Auslese zum Vergleich der üblichen sturen Masse handelt, geht daraus hervor, daß ein deutscher Offizier, der im Osten gestanden hat, die Ukrainerin empfohlen hat, und zwar deshalb, weil sie für den Arbeitseinsatz  für Deutschland wertvoll und tragbar erschien."

Jüdische ZwangsarbeiterInnen

Über das Schicksal der jüdischen Zwangsarbeiter in Wuppertal ist bislang nur wenig bekannt. Veröffentlicht sind bisher nur die Belege von Ulrich Föhse für den Einsatz von jüdischen und "halbjüdischen" Zwangsarbeitern bei der Firma RiRI im Jahre 1942.
Wir möchten deswegen auf einen Aktenbestand im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftssarchiv in Köln hinweisen. Nach diesen Unterlagen gab es bis zu den Deportationen 1941 nach Lodz, Minsk, Riga mindestens 5 Betriebe in Wuppertal, die nachweislich jüdische Zwangsarbeiter beschäftigt haben. Zu nennen sind Walter Lehnemann (Barmen) mit 30, RiRi-Werk (Barmen) mit 109, Schlaraffia-Werk (Wichlinghausen) mit 14, Werner Schlüter (Wichlinghausen) mit 5 und Gustav Busche (Langerfeld) mit 13 jüdischen Zwangsarbeitern. Dies ergibt sich aus einem Vermerk der IHK vom 15.10.1941, elf Tage vor der ersten Deportation ins Ghetto Lodz:
"Abschiebung jüdischer Arbeitskräfte. Die in den Betrieben befindlichen jüdischen Arbeitskräfte sollen offenbar nach Polen und zwar nach Lodsch, Litzmannstadt und wahrscheinlich auch nach sonstigen Städten abgeschoben werden. (...) Die Firma Lehnemann macht darauf aufmerksam, daß der Abzug der jüdischen Kräfte naturgemäß eine empfindliche Störung in dem Ablauf der Produktion hervorruft. Wichtige Aufträge in Arbeiterschutzbekleidung und Aufarbeitung von Tabak-Emballagen zur Wiedereinfuhr von Tabak aus den Balkan-Ländern sind durchzuführen. Die Firma Lehnemann hat bisher 30 jüdische Arbeitskräfte beschäftigt, davon sollen 10 abtransportiert werden. (...) Die Aktion geht offenbar nicht vom Arbeitsamt aus, sondern von der Gestapo aus."
Auch der Fabrikant Gustav Busche protestierte am 31.10.1941 bei der IHK und nennt in dem Brief die Namen seiner jüdischen Beschäftigten. "Unser Betrieb verliert daher 13 jüdische Arbeitskräfte, für die wir unter allen Umständen entsprechende Ersatzkräfte benötigen. Unsere Firma hat auf dem Gebiete der Säckebewirtschaftung Aufgaben von hoher kriegswichtiger Bedeutung zu erfüllen."
Nach den Deportationen aus Wuppertal wurde Zwangsarbeit auch für sogenannte "Mischlinge" bzw. "Halbjuden angeordnet. Bisher sind nur für das RiRI-Werk und die Firma Engel und Co. derartige Beschäftigungsverhältnisse nachzuweisen.
In diesem Zusammenhang möchten wir auf das Schicksal der Jüdin Herta Cleff hinweisen, die bei der Firma Engel und Co. in Wuppertal Wichlinghausen arbeiten musste und mit einem "Arier" verheiratet war. Am 4. August 1943 denunzierte die Geschäftsleitung von Engel und Co..die Arbeiterin schriftlich bei der Gestapo in Wuppertal: "Sie hat ohne selbst bombengeschädigt zu sein, 14 Tage gebummelt, will Aufforderungen zur Arbeit von uns nicht erhalten haben." Der Gestapobeamte Ruhtz notierte: "Die Jüdin Cleff wurde wegen wiederholter Arbeitsbummelei zur Anzeige gebracht. Wegen der gleichen Handlung wurde sie am 16.4.1943 staatspolizeilich gewarnt. Am 6.8. 1943 festgenommen und Schutzhaftantrag gestellt." Herta Cleff wurde nach Auschwitz gebracht und starb  nur wenige Monate später am 4.12.1943.

Aufgrund eines Erlasses des Ministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion vom 12.11.1943 wurde der Druck auf "jüdische Mischlinge" in der letzten Kriegsphase noch einmal erhöht:
"Am 17.4.1944 fordert die Gauwirtschaftskammer in einem Brief an die Zweigstelle Wuppertal die Arbeitsämter auf, im Schnellverfahren alle "Halbjuden" zu untersuchen "mit dem Ziele, die brauchbaren Kräfte zum Einsatz in der O.T. dienst zu verpflichten (...) Die Halbjuden dürften aber nicht der kriegswichtigen Produktion entzogen werden."
Das Arbeitsamt ermittelte "sämtliche Mischlinge, jüdisch versippte und Wehrunwürdige", die sie zur Untersuchung ins Arbeitsamt vorlud. "230 werden erfasst, davon arbeiten im April 1944 82 in "kriegswichtiger Produktion" 26 werden zu Beseitigung von Luftkriegschäden in Arbeitsbataillonen in Wuppertal eingesetzt, 51 werden reichsweit bei der Organisation Todt eingesetzt.

Massaker und Hinrichtungen

Der Terror der Gestapo eskalierte in den letzten Kriegswochen überall im Reich in "Vernichtungsorgien" (Lotfi) an Zwangsarbeitern und politischen Gegnern.30 Auf Todesmärschen aus den KZ´s, Gefängnissen und AEL´s wurden auch im Raum Wuppertal willkürliche Tötungen durch das Wachpersonal durchgeführt. So ist das Schicksal der Anfang April 1945 aus dem AEL Hunswinkel nach Wuppertal getriebenen Häftlinge ungewiß. Während der Gestapobeamte Friedrich Jentsch nach dem Krieg "beteuerte", er hätte die Gefangenen in Wuppertal freigelassen, spricht ein ehemaliger Gefangner von der Erschießung der Gefangenen.

Nachzuweisen sind aber anhand von Archivalien und Untersuchungsprotokollen der alliierten Militärjustiz eine Reihe von Hinrichtungen von Zwangsarbeitern. Der in der Wuppertaler Öffentlichkeit bekannteste Fall ist die Massenhinrichtung von 71 politischen Gefangenen und Zwangsarbeitern am Wenzelnberg bei Leichlingen am 13.April 1945. Weiterhin wurden Anfang Februar 1945 30 russische Zwangsarbeiter von Gestapo und Schutzpolizei am Schießstand Burgholz per Genickschuß ermordet. Weitgehend unbekannt ist die Erschießung von 6 Zwangsarbeitern unbekannter Nationalität am Rangierbahnhof Vohwinkel im Frühjahr 1945 durch Angehörige der Gestapo Wuppertal.

So begründete der Gestapobeamte Otto Albermann etwa in einer Aussage vor dem englischen Militärgericht die Massenhinrichtung von 30 russischen Zwangsarbeitern wie folgt "Bei den im Februar 1945 in Burgholz erschossenen Russen handelt es sich um sogenannte "Zivile Ostarbeiter". Diese Ostarbeiter (...) hatten sich dann von der Arbeit ferngehalten, um vom stehlen zu leben.(...) Bei den verübten Verbrechen handelt es sich um etwa 400 schwere Einbrüche in Wuppertal, hauptsächlich aus Lebensmittelgeschäften und Luftschutzkellern. Auf dem Bahnhof Wichlinghausen wurde bei Plünderung eines Postwagons ein Eisenbahner erschossen, der Moellberg hieß. Bei der Festnahme erschossen die Russen den Kriminalbeamten Mueller, und verwundeten fünf weitere Beamte. Es ist wahrscheinlich, dass auch in Köln und Essen von dieser Bande Raubüberfälle verübt wurden."
Der Überlebenskampf der Zwangsarbeiter in den vom Bombenkrieg total zerstörten deutschen Großstädten erschien nicht nur in den Augen der Gestapo und der SS als "Ausländerkriminalität", die eine rücksichtslose Bekämpfung von kriminellen Ausländerbanden erforderte. Der unbarmherzige Kampf gegen die marodierenden Ausländerbanden wurde von der Bevölkerung weitgehend begrüßt. Die Verbrechen an den Zwangsarbeitern spielten im "Totalen Krieg" nur insofern eine Rolle, in wie weit Racheaktionen nach dem Krieg zu befürchten waren. Und auch die Todesurteile der Sondergerichte und die Massenhinrichtungen von Zwangsarbeitern kurz vor Kriegsende waren im Nachkriegsdeutschland sehr schnell vergessen. Ein Gedenken an die Opfer dieser Massaker wurde lange Jahre kategorisch abgelehnt, die "Gräber der Ungläubigen" wurden auf den christlichen Friedhöfen nie wirklich geduldet.
 

 

Ausstellung

http://www.ausstellung-zwangsarbeit.org/de/242/

Zeitzeugeninterviews

http://www.ausstellung-zwangsarbeit.org/de/256/