Gestapo

Gestapo in Wuppertal

Nach den bisherigen Kenntnissen war die Wuppertaler Gestapo in einem Netzwerk mit gegenseitigen Abhängigkeits- und Kooperationsverhältnissen aktiv. Sie hat bis 1936 keineswegs ausschließlich als Geheimpolizeiapparat mit außernormativer Vollzugsgewalt, die nur dem Führerwillen verpflichtet war, gehandelt. Die Gestapo war von den Haftbefehlen des Untersuchungsrichters, von der engen Zusammenarbeit mit den Abwehr-Staatsanwälten und von den Richtern des OLG Hamm abhängig. Vom SD und dem DAF-Geheimdienst Amt Information erhoffte man sich schnelle Amtshilfe und Informationen, das Auswärtige Amt mit seinen Botschaftern in den Exilländern war ein wichtiger Partner.

Natürlich wurde auch in Wuppertal die Schutzhaft als Präventivinstrument zur Einschüchterung eingesetzt, in wenigen Fällen auch als „Korrektur“ für ergangene Freisprüche und Entlassungen. Im Zeitraum 1936-1937 wurden von 79 Freigesprochenen zehn Personen in Schutzhaft genommen. Die Schutzhaftbefehle mussten aber zentral von der Gestapo in Berlin erlassen werden. Vorbestrafte oder mit Schutzhaft vorbelastete Gefangene wurden besonders zahlreich nach Haftende in ein Konzentrationslager überführt. Gängig waren auch Meldeauflagen und Nachüberwachung.

Die Gestapo Düsseldorf hatte im Juni 1935 mit allen Außenstellen insgesamt 291 Beschäftigte.1 126 arbeiteten in Düsseldorf, 43 in der Außenstelle Wuppertal. Für den Innendienst der Wuppertaler Gestapo waren sieben Verwaltungsbeamte eingesetzt, jeweils vier Polizisten wurden für die Nebenstellen Solingen und Remscheid abgestellt. Zur Unterstützung wurden zusätzliche Hilfskräfte angestellt: Sekretärinnen, ein Dolmetscher sowie ein Fahrer.2

Mit ihren Nebenstellen in Remscheid und Solingen war die Wuppertaler Gestapo für den gesamten Polizeipräsidialbezirk Wuppertal zuständig, der neben Remscheid und Solingen auch Velbert, Neviges und Wülfrath umfasste. Das bedeutet, dass bei einer Gesamtbevölkerung von rund 700.000 Einwohnern statistisch nur ein Gestapoangehöriger auf jeweils 16.000 Einwohner kam.

Bis September 1939 existierten zwei Gestapodienststellen, die jeweils auf eigene Polizeigefängnisse zurückgreifen konnten.3 Untergebracht war die Elberfelder Außenstelle der Gestapo in einem Gebäude in der Elberfelder Von-der-Heydts-Gasse. Ein schallgedämmter Luftschutzkeller diente als Vernehmungsraum. Zusätzliche Räume nutzte die Gestapo im evangelischen Vereinshaus in der Luisenstraße. Nach der Eingliederung der politischen Abteilung der Kripo in die Preußische Geheime Staatspolizei wurden deren Geschäfte in den im obersten Dachgeschoss befindlichen Diensträumen fortgeführt.

In Barmen residierte die Gestapo bis 1939 in einem Gebäude am Kleinen Werth 9 und konnte das Gefängnis in der Bachstr. 21 nutzen. Erst im September 1939 konnte das neue Polizeipräsidium für ganz Wuppertal bezogen werden. Alle Diensträume der Gestapo befanden sich nun im obersten Dachgeschoss des Polizeipräsidiums. Der Neubau verfügte auch über ein neues Gefängnis mit über 100 Zellen, das auch von der Gestapo genutzt wurde.

Die Gestapo sammelte Informationen, überprüfte Denunziationen, instruierte ihre V-Leute und forderte Berichte bei anderen NS-Organisationen an. Darüber hinaus observierten die Beamten Verdächtige, zogen Erkundigungen über Personen bei Vermietern ein, unternahmen Wohnungsbesuche oder Hausdurchsuchungen und kontrollierten die Meldepflicht entlassener Schutzhäftlinge. Ein weiterer wichtiger Bereich war in Kooperation mit dem Arbeitsamt die gezielte Vermittlung entlassener Schutzhäftlinge in ausgesuchte Betriebe und deren Kontrolle durch Spitzel und Betriebsobmänner der DAF.

Gestapo-Personal

Nach Hartmut Rübners Recherchen mussten bis April 1933 70-80 Polizeibeamte aus dem Polizeidienst in Wuppertal ausscheiden oder wurden versetzt. Darunter war auch der Leiter der Abteilung I A, Kriminalkommissar, Schiwy.4 Einzelne Kriminalbeamte, die gewerkschaftlich organisiert waren oder mit der SPD oder mit der Zentrums-Partei sympathisierten, wurden später sogar im KZ Kemna inhaftiert. Unter den Verhafteten war auch der Wuppertaler Kriminal-Assistent Johannes Pauli. Pauli, ein Mitglied der Zentrums-Partei und des Schrader-Verbandes hatte 1932 die Ermittlungen gegen die SA-Leute zum „Blutsonntag von Hückeswagen“ geleitet und war als Gegner der Nazis bekannt.5

Bei der politischen Polizei hielten sich die politischen Säuberungen trotz der erheblichen Machtkämpfe zwischen SA- und Polizeiführung in engen Grenzen. Nur vier Personen wurden ersetzt.6 Wie in anderen Gestapodienststellen im Deutschen Reich war die Gestapo in Wuppertal in der Phase bis 1937 von alten Kriminalisten und ausgebildeten Polizisten dominiert, die zum Teil während der Weimarer Republik Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei gewesen waren. Sowohl der spätere Leiter der Gestapo-Außendienststelle Wuppertal, Josef Hufenstuhl, als auch Eugen Pedrotti und Fritz Breer besaßen ein Parteibuch der SPD. Wer nach dem Preußenschlag im Sommer 1932 seine sozialdemokratische Mitgliedschaft ruhen ließ, wurde in der Regel problemlos übernommen.7

Eine Besonderheit in Wuppertal war die starke Verankerung von Mitgliedern des SA-Nachrichtendienstes in der Gestapo. Viele von ihnen waren im November 1933 als Hilfspolizisten in die Gestapo übernommen worden und auch nach dem sog. Röhm-Putsch. nicht entlassen worden. Auf diese Weise kamen Quereinsteiger aus dem SA-Nachrichtendienst wie Karl Freude, Artur Peters und Helmut Schmidt zur Gestapo. 8 Diese wurden am 18. August 1933 zunächst als Hilfskräfte in den Dienst der politischen Abteilung Ia übernommen und waren später als festangestellte Kriminalassistentenanwärter bei der Gestapo tätig.9

Zum kommissarischen Leiter der Außendienststelle Wuppertal wurde am 1. April 1934 vertretungsweise der Kriminalpolizeirat Paul König ernannt. Ihm folgten ab 1935 Ernst Bach, Ernst Menneking und Wilhelm Müller.10 Ab 1940 war Josef Hufenstuhl der Außendienststellenleiter in Wuppertal. Als sein Vertreter fungierte Franz Koslowski.11

Für die niederbergischen Städte war die Nebenstelle Velbert zuständig, die in der Velberter Königstrasse 26 untergebracht war. Einziger Sachbearbeiter war der aus Wuppertal stammende Hans Drießen.12 Drießen wurde bei „starkem Arbeitsanfall“ von Artur Peters aus Wuppertal unterstützt. Drießen hatte seine Polizeilaufbahn 1913 in Wuppertal-Elberfeld begonnen. Nach einer Verwundung bei einem Kriegseinsatz war er zur Feldpolizei nach Elberfeld versetzt worden. Drießen versah seinen Dienst bei der Kriminalpolizei und wurde 1927 nach Velbert versetzt. 1937 folgte die Beförderung zum Kriminalsekretär.13

In Düsseldorf stand der Behörde bis Oktober 1934 der Regierungsrat Murray vor.14 Dann wurde er vom Kriminalrat Franz Sommer abgelöst, der die Gestapostelle Düsseldorf bis 1938/39 leitete.15 Franz Sommer, geboren am 30. November 1897, hatte als Frontsoldat am Ersten Weltkrieg teilgenommen. 1919 begann er seine Laufbahn als Polizeianwärter in Düsseldorf. 1931 stieg er zum Leiter der politischen Polizei in Oberhausen auf. Am 15. April 1933 wurde Sommer zum Leiter der politischen Polizei in Düsseldorf befördert, am 1. April 1934 in die Stapo-Stelle übernommen und sieben Monate später zum Kriminalrat befördert.

Kriminalkommissar Josef Vogt war von 1934 bis 1936 der leitende Sachbearbeiter für die Bekämpfung der Linksparteien innerhalb der Gestapostelle. Vogt war einer der altgedienten „antibolschewistischen Kriminalkommissare“, die nicht auf eine lange Parteikarriere zurückblicken konnten. Er trat erst im Frühjahr 1933 in die NSDAP ein. Vogt, geboren 1897 in Mettmann, war als kaufmännischer Angestellter tätig und Absolvent der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Köln gewesen, bis er 1925 bei der Polizei in Düsseldorf eine Anstellung fand. Vogt stieg schnell auf, er war bis Juli 1933 u.a. in der zentralen Mordkommission im Ruhrgebiet als Kriminalkommissar tätig.16 Im Juli 1933 wechselte er ins Polizeipräsidium nach Berlin, ging aber 1934 zur Gestapo nach Düsseldorf und Ende 1936 zur Gestapo nach Köslin. Am 1. Januar 1938 trat er in die Dienste des Gestapa in Berlin. Dort war er für die „Sachdienliche Auswertung aller Erscheinungsformen des Kommunismus“ zuständig, bis er im Juli 1939 zum neuen Referatsleiter im RSHA IV A1 „Kommunismus, Marxismus, Einheitsfront, illegale Propaganda“ ernannt wurde. In dieser Funktion war er u.a. für die Ermittlungen gegen die Mitglieder des Wuppertal-Komitees verantwortlich.17

Die Verhaftungswelle im Sommer 1936 koordinierte Carl Benno Ditges, der Kommunismus-Experte und V-Mann-Führer der Gestapo in Düsseldorf. Er übernahm nach den Verhaftungen der AM-Funktionäre Ewald Funke und Otto Kettig auch die Federführung der Ermittlungen gegen den AM-Apparat ab Mai 1936.18

Als die schlimmsten Folterer galten nach Aussagen von Überlebenden, neben den Kriminalbeamten Hans Zimny und Eugen Pedrotti, der Kriminalangestellte und ehemalige Apotheker Karl Freude, der Kriminalangestellte und SD-Angehörige Friedhelm Schüttler sowie der SA-Mann Artur Peters.19 Was sie alle einte, die alten Kriminalisten, die ehemaligen Sozialdemokraten und die „Quereinsteiger“ aus dem SA-Nachrichtendienst, war der Hass auf den Kommunismus. Weiter waren die Gestapo-Angehörigen Friedrich Pentinghaus und Caspar Dahlmann an den „Vernehmungen“ beteiligt.

Der weitere Lebensweg der Folterer und Schreibtischtäter verlief unterschiedlich: Josef Vogt, Carl Benno Ditges, Helmut Schmidt und Friedhelm Schüttler vervollständigten ihre Erfahrungen in „Folter-Ermittlungen“ durch „sicherheitspolizeilichen Einsatz“ in Holland, Polen, Slowenien und Albanien. Helmut Schmidt war z.B. seit dem 28. Juni 1940 bei einem Einsatzkommando in den Niederlanden tätig. Andere verblieben bis zum Einmarsch der US-Army in Wuppertal und organisierten die Deportationen der Wuppertaler Juden. Sie beteiligten sich auch an den sog. „Endphasenmorden“ gegen Zwangsarbeiter und politische Gefangene.

Der lokale Verantwortliche für die Gestapo-Verbrechen in Wuppertal war Josef Hufenstuhl. Hufenstuhl, Jahrgang 1880, war Mitglied der SPD und arbeitete bereits vor 1933 als Kriminalkommissar in der politischen Abteilung der Kripo.20 Hufenstuhls politische Vergangenheit als SPD-Mitglied behinderte seine Gestapo-Karriere keineswegs. Versuche von Sozialdemokraten, ihn um schützende Einflussnahme zu bitten, schlugen fehl: „Ich ging in die Höhle des Löwen zum Leiter der Gestapo Jupp Hufenstuhl, der mir von seiner früheren Mitgliedschaft in der SPD sehr gut bekannt war. [...] Hufenstuhl antwortete ohne ein einziges anderes Wort oder Gegenfrage: „Halt dich raus, kommste auch nicht drin.“21

Hufenstuhl war kontinuierlich bis Kriegsende in der Wuppertaler Gestapo-Außendienststelle tätig. Ab 1940 fungierte er als Dienststellenleiter und trug für die Zeit ab 1940 die volle Verantwortung für die Verbrechen der Wuppertaler Gestapo. Diese klare Zuordnung bewog Hufenstuhl möglicherweise zu seiner Entscheidung, sich kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner selbst zu töten.

Insgesamt ist Hufenstuhls Tätigkeit in den Jahren bis 1940 aber nur schwer zu fassen, weil das Bild von ihm auch von Aussagen geprägt wurde, die im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens gegen Wilhelm Müller, Hufenstuhls Vorgänger im Amt des Gestapo-Dienststellenleiters, entstanden sind. So wurde Hufenstuhl zur offensichtlichen Entlastung Müllers als „NS-Roboter“ und „wütender Gegenspieler von Kriminalrat Müller“ inszeniert. 22 Auch die alleinige Verantwortung für Folterbefehle sollten Hufenstuhl nach seinem Tod von Zimny und Peters in den späteren Strafverfahren zugeschoben werden.

 

Ebenfalls früheres SPD-Mitglied war Eugen Pedrotti.23 Pedrotti, Jahrgang 1886, seit 1920 in Polizeidiensten, war rechtzeitig Mitglied in der SA geworden und von der Kriminalpolizei zur politischen Abteilung der Wuppertaler Polizei versetzt worden. Zusammen mit seinem Bruder Franz, der ebenfalls bei der Gestapo untergekommen war, war er unter den politischen Gefangenen für brutalste Folterungen bekannt.24 Pedrotti vernahm und folterte die Schutzhäftlinge meist in der Barmer Dienststelle am Kleinen Werth oder im Polizeigefängnis Bachstrasse. Von Juli 1933 bis Januar 1934 nutzte er auch das Konzentrationslager Kemna als Folterzentrum. Pedrotti war führend auch an der Verhaftungswelle 1935/1936 beteiligt. Er gehörte zu den Folterteams der Gestapo und trat als Zeuge der Anklage bei den Gerichtsverhandlungen auf.

Im Fall der ihm persönlich bekannten Jüdin Käthe Landau, die 1936 verhaftet wurde, soll er persönlich Hilfe angeboten haben. Ruth Harp, Käthe Landaus Tochter, berichtete nach dem Krieg, dass Pedrotti zu ihrer Mutter in die Zelle gekommen sei und gesagt habe: „Ich helfe dir!“ Käthe Landau war nach dem Freispruch vor Gericht auch der Ansicht, Pedrotti hätte sie vor der Verurteilung bewahrt.25 Eugen Pedrotti warnte 1938 jüdische Bekannte in Duisburg vor der Verhaftung und der Deportation in ein Konzentrationslager. Er meldete sich krank, als er den Gefangenentransport nach Dachau begleiten sollte und nutzte seinen Handlungsspielraum für die Genehmigung zahlreicher Entlassungsgesuche. Pedrotti flog wegen „Judenbegünstigung“ schnell auf und flüchtete überstürzt nach Amsterdam. Im Juni 1939 kehrte er nach Wuppertal zurück, saß kurz in Untersuchungshaft und war bis Februar 1940 vom Gestapo-Dienst suspendiert. Die Vorwürfe schienen nicht so gravierend gewesen zu sein, er konnte seine „Polizeiarbeit“ bis 1945 im Innendienst der Gestapo in Watenstedt-Salzgitter fortsetzen.26

Karl Freude, geboren 1887, war studierter Apotheker. In der Wirtschaftskrise 1930 verlor er sein Geschäft und war seitdem arbeitslos. Im April 1932 führte ihn eine Aushilfstätigkeit als Bürohilfe beim SA-Nachrichtendienst in die Wuppertaler Nazibewegung. Erst im März 1933 trat er in NSDAP und SA ein und machte sich schnell u.a. als Protokollführer und Folterer bei „Vernehmungen“ im SA-Folterkeller an der Aue nützlich. Durch die Vermittlungen des Führers des SA-Nachrichtendienstes, Alfred Schumann, gelangte Freude zunächst zur politischen Polizei und anschließend zur Gestapo. Freude war dank seiner Tätigkeit im SA-Nachrichtendienst gut mit den politischen Verhältnissen in Wuppertal vertraut. Er beteiligte sich auch an den Verhaftungsaktionen und Foltervernehmungen ab 1934/1935. Er wurde Hans Zimny als „protokollführende Schreibkraft“ zugewiesen und war an zahlreichen Folterungen zusammen mit diesem und Artur Peters beteiligt. Karl Freude soll wegen früherer Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge im Sommer 1936 aus der Partei und der SA ausgeschlossen worden sein.

 

Hans Zimny, Jahrgang 1889, war wie Pedrotti gelernter Polizist. 1922 wechselte er als Kriminal-Assistent zur Wuppertaler Polizei. Ende 1934 ist seine Tätigkeit bei der Wuppertaler Gestapo aktenkundig. Er war von Anfang an mit den „Ermittlungsaufgaben“ bei den „Hochverratssachen“ betraut. In dieser Funktion hat er sich aktiv an Misshandlungen und Folterungen beteiligt.27

 

Artur Peters, 1905 in Elberfeld geboren, arbeitete bis 1930 als selbstständiger Steinmetz in Wuppertal. Danach war er mit kurzen Unterbrechungen bis Ende 1932 erwerbslos. Peters war der einzige Gestapo-Täter, der frühzeitig der NSDAP beitrat. Politisch wurde Peters in der deutschnationalen Bismarck-Jugend sozialisiert. 1925 trat er der NSDAP und SA bei. In der SA fungierte er zunächst als Scharführer und wurde ferner Mitglied des Nachrichtendienstes der SA-Standarte 173 in Elberfeld. Am 18. August 1933 wurde er als „ehrenamtliche Hilfskraft“ in der Funktion eines nicht ausgebildeten „Hilfspolizisten“ in den Dienst der Kripo (Abt. 1 a) berufen und Anfang Oktober 1933 als besoldete Kraft übernommen. Am 1. April 1934 wurde Peters als Kriminalangestellter in die Gestapo übernommen.28 Peters blieb bis 1945 in Diensten der Wuppertaler Gestapo und folterte auch andere Opfergruppen: Einem Gefangenen zertrümmerte er wegen dessen angeblich „jüdischer Nase“ mit einem Gummiknüppel das Gesicht; andere misshandelte er mit brennenden Zigarettenstummeln, schlug selbst Frauen Zähne aus, urinierte über Gefangene oder entzog Schutzhäftlingen für mehr als fünf Tage jegliche Nahrung, um gewünschte Aussagen zu erpressen.29 1944 peitschte er eine Ehefrau aus, die aus Mitgefühl einem französischen Kriegsgefangenen den Arbeitsanzug gewaschen hatte. Einem wegen Heimtücke beschuldigten Arbeiter schlug er im gleichen Jahr sämtliche Zähne aus.

Das andere „alte“ NSDAP-Mitglied bei der Gestapo war Friedhelm Schüttler. Schüttler, Jahrgang 1910, arbeitete als Handlungsgehilfe, Lagerverwalter und Versandleiter in einer Wuppertaler Papierfirma. Nebenberuflich war er als Organist in einer Kirchengemeinde tätig. Am 1. Januar 1931 schloss er sich der NSDAP und der SA an. Ein Jahr später wechselte er von der SA zur SS. Seit dem 1. Januar 1936 wurde er in der SD-Hauptaußenstelle als ehrenamtlicher Mitarbeiter geführt und wurde am 1. März 1936 als Kriminalassistentenanwärter von der Gestapo übernommen. Schüttler war im Referat Kommunismus beschäftigt und war an den massiven Folterungen im Sommer 1936 beteiligt. So brach er Anna Wienand dreimal das Steißbein, um den Aufenthaltsort des nach Belgien geflüchteten AM-Apparat-Mitarbeiters Hermann Rehse zu erfahren.30

 

 

1 Vgl. GStA, I. HA, Rep. 90 P, Nr. 12, Bl 17-33. Gebauer schätzt die Zahl auf 170-200. Vgl. Gebauer, Das KPD-Dezernat der Gestapo Düsseldorf, S. 34.

2 Vgl. Rübner, Gestapo-Terror in Wuppertal, S. 13. Nicht alle Gestapo-Beschäftigten konnten namhaft gemacht werden. Nur wenige Informationen gibt es zu Helmut Schmidt (geb. 10.5.1909 in Elberfeld), Caspar Dahlmann (geb. 21.11.1884 in Langerfeld), Friedrich Pentinghaus, Johannes Ruhtz (geb. 1.11.1892 in Mörschingen). Vgl. Urteil gegen Artur Peters und Helmut Schmidt vom 28.05.1951, LAV NRW R, Gerichte, Rep. 240/87.

3 Ausführlich zur Arbeitsweise der Gestapostelle Wuppertal: Rübner, Gestapo-Terror in Wuppertal, S. 11. Vgl. auch Okroy, Volksgemeinschaft, S. 47-51, S. 118, S. 136-137.

4Vgl. Rübner, Gestapo-Terror in Wuppertal, S. 7.

5Vgl. Mintert, Kemna, S. 102. Paul Guse, ein weiterer Wuppertaler Polizist, wurde nach der Haft im KZ Kemna in die Emslandslager verbracht und am 20.10.1933 im KZ Neusustrum ermordet. Die SS hatte auf dem Rückweg vom Moor in das KL Neusustrum den jüdischen Gefangenen Isaak Baruch gequält. Als Paul Guse dem Misshandelten zur Hilfe kommen wollte, erschoss die SS beide Häftlinge. Vgl. Der Moorsoldat, 1. Jhg., Nr. 3, v. 15.12.1956.

6 Ausführliche Informationen zu den Machtkämpfen zwischen SA und politischer Polizei bei: Rübner, Gestapo-Terror in Wuppertal, S. 11. „Zwischen der Politischen Polizei und der SA bestand in den ersten Monaten des Jahres 1933 ein ausgesprochenes Konkurrenzverhältnis. In einem persönlichen Bericht an Hitler berichtete der SA-Brigadeführer Veller darüber, dass sich gleich nach dem Machtantritt ein `scharfer Gegensatz zwischen SA und Polizei herausbildete´, so dass `die Verhältnisse unerträglich wurden.´

7 Vgl. Erinnerungsbericht Albert Sobietzky, StAW AfW, W-76445, o. Bl. Die Übernahme von Sozialdemokraten in den Gestapo-Dienst war kein Einzelfall. Vgl. Dams, Carsten/Stolle, Michael: Die Gestapo. Herrschaft und Terror im Dritten Reich, München 2008, S. 62. Siehe auch Berschel, Bürokratie, S. 97. So war der Essener Gestapo-Dienststellenleiter Vaupel Mitglied der SPD gewesen. Auch er war an zahlreichen Misshandlungen und Folterungen beteiligt. Berschel weist daraufhin, dass frühere Mitgliedschaften in demokratischen Parteien „nicht von vorneherein eine menschlichere Führung der Dienstgeschäfte“ bedeuteten.

8 Vgl. Rübner, Gestapo-Terror in Wuppertal, S. 9-11. Siehe Staatsanwaltschaftliche Vernehmung Wilhelm Vogel vom 16.4.1948, LAV NRW R, Gerichte, Rep. 191/123, Bl. 107; LAV NRW R, Gerichte, Rep. 240/86.

9 Vgl. Urteilsschrift des Wuppertaler Landgerichts gegen Artur Peters und Helmut Schmidt vom 28.5.1951, LAV NRW R, Gerichte, Rep. 240/87.

10 Vgl. Mann, Protest und Kontrolle, S. 147f.; Berschel, Holger: Bürokratie und Terror, S. 71f.

11 Entnazifizierungsakte Franz Koslowski, LAV NRW R, NW 1037-Bl-17860; BAK, Z 42 III 1555; LAV NRW R, Gerichte, Rep. 191, Nr. 155, Bl. 24.

12 Vgl. Schmidt, Henri: Polizei in Diktatur und Demokratie. Velberter Polizeigeschichte seit 1933, Velbert 2007, S. 65-71; Neumer, Eduard: Dr. Leo Tweer Bürgermeister von Velbert in stürmischen und gottverlassenen Zeiten, Velbert 2006, S. 106.

13 Vgl. Schmidt, Polizei in Diktatur, S. 47f. Vgl. Velberter Zeitung vom 29.3.1938; Vgl. Neumer, Eduard: Die Tätigkeit der Gestapo in Velbert. Vortrag vom 31.3.1965.

14 Murrays Vertreter war Kriminalrat Maslak.

15 Franz Sommers Vertreter wurde Dr. Meyer. Vgl. Personalkarte in: LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 30653d, Bl. 330f.; Dienstaltersliste 1935, S. 58.

16 Vgl. Wildt, Michael: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburg 2002, S. 337-341, 344 f., 362, 740, 745, 839. Elste, Alfred/Koschat. Michael/Filipič, Hanzi (Hg.): NS-Österreich auf der Anklagebank. Anatomie eines politischen Schauprozesses im kommunistischen Slowenien, Klagenfurt/Celovec-Ljubljana/Laibach-Wien/Dunaj 2000, S. 167-171; Arhiv Republike Slovenije, Ljubljana (ARS), -disl. II, Fonds proces Rainer, invom 761.

17 Vgl. Geschäftsverteilungsplan des Gestapa vom Juli 1939, BArch B, R 58/840.

18 Vgl. NIOD, Doc I Ditges. Vgl. Meershoek, Guus: Die Sipo (SD) in den Niederlanden. Machtentfaltung und Scheitern eines politischen Fahndungsdienstes, in: Paul/Mallmann (Hg.), Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg, S. 388. Vgl. Bundesarchiv Ludwigsburg (BAL), B 162/20334. Vgl. jetzt auch Gebauer, Thomas: Das KPD-Dezernat der Gestapo Düsseldorf, Hamburg 2011.

19 Die folgenden Kurzbiograhien verdanke ich den Recherchen von Hartmut Rübner und Sven Steinacker. Vgl. Rübner, Gestapo-Terror in Wuppertal, S. 27-30; Rübner, Hartmut/ Steinacker, Sven: Kurzbiographien, MS.

20 Vgl. Okroy, Volksgemeinschaft, S. 74; 110; 118.

21 Erinnerungsbericht Albert Sobietzky, StAW AfW, W-76445, o. Bl.

22 Eidesstattliche Erklärung von Dr. Christian Gehring vom 9.7.1958, LAV NRW R, NW 130, Nr. 265.

23 Vgl. Lekebusch, Sigrid: Eugen Pedrotti ein Saulus-Paulus oder das Janusgesicht eines Gestapomannes, in: Romerike Berge, Zeitschrift für das Bergische Land 45 (1995), Heft 3, S. 15-21. Vgl. Aussage des ehemaligen Hauptkassierers der SPD in Barmen, StAW AfW, W-77013, Bl. 20.

24 „Dann band ihm Pedrotti eine Schnur um [...] [das] Geschlechtsteil und die übrigen zogen an der Schnur. Er wurde dann noch ein drittes Mal verprügelt.“ Zitiert nach: Urteil Kemna-Prozess, LAV NRW R, Gerichte, Rep. 29/293, S. 172.

25 Vgl. Lekebusch, Pedrotti, S. 15-21. Die Tochter von Käthe Landau hat aus Dankbarkeit sogar den Namen von Eugen Pedrotti in eine „Honour Roll of Righteous Gentiles“ in einem Holocaust-Museum eintragen lassen.

26 Vgl. Lekebusch, Pedrotti, S. 17-19. Über Pedrottis Tätigkeit im „Innendienst“ bei der Gestapo in Watenstedt-Salzgitter ist nichts bekannt. 1940 richtete hier die Gestapo Braunschweig ein „Arbeitserziehungslager“ (AEL) ein. Im Verlauf des Krieges entstanden weitere Lager: Kriegsgefangene aus Ost- und Westeuropa und sowjetische Zivilisten wurden zur Arbeit gezwungen. Ab 1942 entstand auf dem Gelände der „Reichswerke Hermann Göring“ ein KZ-Außenlager. Mindestens 4.000 Menschen starben in den Lagern in Watenstedt-Salzgitter.

27 Vgl. LAV NRW R, Gerichte, Rep. 240/85.

28 Vgl. Urteilsschrift der 7. großen Strafkammer des Wuppertaler Landgerichts in der Strafsache gegen Artur Peters und Helmut Schmidt vom 28.5.1951, LAV NRW R, Gerichte, Rep. 240/87.

29 Vgl. Berschel, Holger: Bürokratie und Terror. Das Judenreferat der Gestapo Düsseldorf 1935-1945, Essen 2001, S. 136; Staatsanwaltschaftliche Vernehmung von Artur Peters im Spruchgerichtsverfahren vom 29.4.1947, BAK, Z 42 II 2677, Bl. 2f.

30 Vgl. LAV NRW W, GSTAH, Nr. 9592-9607+9878 E, 9608-9624 V, 9657 SRA, 9660 W, 9661 St.

 

 

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