Buchvorstellung: Die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse.

5. Juli 2012 19:30 Uhr Buchvorstellung von Stephan Stracke: Die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse. Gewerkschaftlicher Widerstand und internationale Solidarität.
in der neuen Geschäftsstelle von Verdi und DGB Hoeftstrasse 4 / Bahnhof Wuppertal-Steinbeck
mit Angehörigen der WiderstandskämpferInnen aus Wuppertal, Amsterdam, Voorburg und
Hoorn:

- Marianne Hecht-Wieber (Wuppertal), VVN-BdA und Tochter von Emil Löhde
- Sinja Alma (Hoorn, Niederlande), Tochter von Aleida Lie Heijnen (Wuppertal-Komitee)
- Peter Alma (Amsterdam, Niederlande), Sohn von Aleida Lie Heijnen (Wuppertal-Komitee)
- Ans Samama-Polak (Voorburg, Niederlande), Tochter des jüdischen Widerstandskämpfers und Philosophen Leo Polak
- Bert Gasenbeek, Direktor des Humanistisch-Historisch-Centrum und des J.P. van Praag Instituut
an der Universiteit voor Humanistiek in Utrecht

Veranstalter: Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.

Das Buch: Stephan Stracke: Die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse. Gewerkschaftlicher Widerstand und internationale Solidarität (= Verfolgung und Widerstand in Wuppertal; Bd. 12),  De Noantri Bremen, Wuppertal: 012, 546 S., ISBN 978-3-943643-00-8, EUR 29,80
ab nächste Woche im Buchhandel oder Buchbestellung:  bei denoantri@web.de

Die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse

Im Herbst 1934 war es der KPD im Großraum Wuppertal gelungen, in einem organisierten überbetrieblichen Rahmen, gemeinsam mit Sozialdemokraten und Parteilosen, 48 betriebliche Widerstandsgruppen u.a. bei Vorwerk, Bemberg, Herberts, Hülsbeck& Fürst und Tiefenthal aufzubauen, die direkt in fabrikinterne Auseinandersetzungen eingriffen, die eigene Zeitungen herstellten und Kurzstreiks auslösten. In Velbert wurde sogar der Deutsche Metallarbeiter-Verband (DMV) unter Beteiligung von sozialdemokratischen DMV-Funktionären wieder gegründet.
Zu Jahresbeginn 1935 startete die Gestapo eine beispiellose Verhaftungsoperation. Von 1935 bis 1937 wurden im Großraum Wuppertal insgesamt mehr als 1.900 Menschen verhaftet und 649 Personen von ihnen in den sog. Wuppertaler Gewerkschaftsprozessen wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Teil zu mehrjährigen Haftstrafen
verurteilt. 17 Aktivisten verloren ihr Leben während der polizeilichen Voruntersuchung. Mit Ewald Funke starb einer der Hauptakteure des Wuppertaler Widerstandes 1938 unter dem Fallbeil in Berlin-Plötzensee.

Die sogenannten „Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse“ erlangten eine große internationale Beachtung. Europaweit setzten sich über die Parteiengrenzen hinweg Unterstützer für die 1.900 verhafteten Wuppertaler Arbeiter ein. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) und auch der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei im Exil (SOPADE) unterstützten die verhafteten Wuppertaler Arbeiter.  

 

Wuppertal-Komitee

Herausragend war die Unterstützung der Wuppertaler WiderstandskämpferInnen durch die weltweite Menschenrechtskampagne des Wuppertal-Komitees. Ein von niederländischen Intellektuellen und der KPD-Abschnittsleitung in Amsterdam gegründetes „Centraal Comité Wuppertal Proces“ (Wuppertal-Komitee) begann Weihnachten 1935 Geld für die Familien der Verhafteten zu sammeln. Auf dem Höhepunkt der Kampagne entsandten französische Gewerkschaften und holländische Studentenorganisationen Delegationen zu den Prozessen nach Wuppertal.Die Liste der ungefähr 60 namentlich bekannten Unterstützer und Aktivisten liest sich wie ein „Who is Who“ der niederländischen Arbeiter-, Frauen- und Friedensbewegung. Herauszuheben sind die international bekannte Frauenrechtlerin und Friedensaktivistin C.R. Ramondt-Hirschmann, der Philosoph Hendrik Josephus Pos, der Historiker Jan Romein, der Philosoph Leo Polak, die Lehrerin Aleida Lie Heijnen, der Rechtsanwalt Isaak Kisch und die Grande Dame der niederländischen Arbeiterbewegung Henriette Roland Holst-van der Schalk.Viele der Prominenten hatten sich bereits vorher für deutsche Flüchtlinge eingesetzt und waren seit Juni 1936 im „Komitee für Wachsamkeit“ organisiert.

Als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 die Niederlande überfiel, waren die
Aktivitäten des Wuppertal-Komitees bei den Nationalsoziallisten nicht
vergessen. Im Gegenteil: vor allem die jüdischen Niederländer, die für
das Wuppertal-Komitee gearbeitet hatten, waren in größter Gefahr.
Insgesamt sechs jüdische Komitee-Mitglieder fanden gewaltsam den
Tod.Vier jüdische Angehörige des W.K. wurden in Konzentrationslagern
ermordet. Andere wurden verhaftet und in Verhören  von der Gestapo
gequält.

Kurzbiographien

Leonard Polak

Leonard Polak, Jahrgang 1880, war Professor für Philosophie und Strafrecht an
der Universität in Groningen. Als Humanist und Atheist engagierte er
sich im Wuppertal-Komitee und vor allem als Wortführer der
Freidenkervereinigung „De Dageraad“. Er war u.a. Redaktionsmitglied der „Tijdschrift voor Wijsbegeerte“ und der „Algemeen Nederlandsch Tijdschrift voor Wijsbegeerte" (ANTW).
Leonard Polak versuchte nach dem 10. Mai 1940 vergeblich mit seiner Familie
nach England zu flüchten. Im November 1940 wurde er als Jude von den
Besatzern in den Ruhestand versetzt. Von seinem Vorgesetzten, dem Rektor
der Universität Groningen, wurde Leonard Polak bei den Behörden
denunziert, weil er in einem Brief die Besatzungsmacht als Feind
bezeichnet hatte. Der Wissenschaftler wurde am 15. Februar 1941 in
Leeuwarden vom SD verhaftet und am 7. Mai 1941 nach Sachsenhausen
überstellt. In Sachsenhausen soll er für die Mithäftlinge Vorlesungen
gehalten haben. Am 9. Dezember 1941 starb Polak nach einer Operation im KZ Sachsenhausen. Er wurde auf dem Gräberfeld der Sachsenhausen-Häftlinge auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof beigesetzt.
Vier Verwandte von Leonard Polak wurden in Vernichtungslager deportiert
und dort ermordet. Seine Ehefrau Henriette war zunächst von der
Deportation zurückgestellt worden, wurde aber bei der „großen Razzia“
vom 20. Juni 1943 festgenommen und im „Durchgangslager Westerbork“
interniert. Sie kam durch eine Intervention noch einmal frei und konnte
bis zur Befreiung untertauchen. Mit ihr überlebten auch ihre älteste und ihre jüngste Tochter.  

 

Anna Aleida Alma-Heijnen (Lie Heijnen)  

Anna Aleida Heijnen wurde am 8. Januar 1909 in Emmen geboren. Sie war von
1933 bis 1938 mit dem Wehrdienstverweigerer und Anarchisten Siert Tillema verheiratet. Sie engagierte sich im Friedenskomitee und im „Wereld Vrouwen Comité“ und war als Lehrerin tätig. Im März 1935 trennte sie sich von ihrem Mann und zog nach Amsterdam. Da sie noch nicht
geschieden war, konnte sie nicht mehr als Lehrerin arbeiten und war deswegen auf Gelegenheitsarbeiten angewiesen. Ende 1935 war sie als Sekretärin im Büro von Selma Meijer tätig, später arbeitete sie bei einem Zahnarzt. 1936 war die Aktivistin als Propagandistin für das W.K. tätig und nahm in dieser Funktion an einer Delegationsreise nach Wuppertal teil.
Anschließend trat sie als Versammlungsrednerin in den Niederlanden auf.
Neben dem Engagement für das W.K. war sie vor allem im „Internationalen Frauenbund für Frieden und Freiheit“ (IVVV) engagiert. Zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit wurde die Solidaritätsarbeit mit Spanien. 1936 war sie Vorsitzende der „Commissie Hulp aan Spanje“ und nahm 1935, 1937 und 1939 an Delegationen nach Spanien teil. Von 1937 bis Anfang 1940 war sie die Vorsitzende des „Wereld-Vrouwen Comités" (WVC) gegen Krieg und Faschismus in Amsterdam und Redakteurin des Monats-Organs „Vrouwen“. Im WVC hatten kommunistische Frauen großen
Einfluss, wie sich Lie Heijnen später erinnerte. Sie selbst sei aber nie Mitglied der CPN geworden. Als Delegierte des WVC wurde sie 1935 nach Saarbrücken entsandt, um die Saarabstimmung zu beobachten. Unter ihrer Leitung führte das WVC 1938 Protestaktionen gegen die Hinrichtung von
Liselotte Hermanns durch, die als erste Widerstandskämpferin zum Tode verurteilt wurde. 1940 heiratete sie den Kunstmaler Peter Alma. 1941 wurde ihre Tochter geboren.

 

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